zum Hauptinhalt

Kultur: Rechtschreibreform: Der Rebell Bismarck

Wie sich die Dinge gleichen: Die Rechtschreibung und vor allem ihre Reform hat schon im 19. Jahrhundert die Gemüter erhitzt.

Wie sich die Dinge gleichen: Die Rechtschreibung und vor allem ihre Reform hat schon im 19. Jahrhundert die Gemüter erhitzt. Ein Konsortium aus Oberlehrern hatte zwischen 1856 und 1871 ein neues Regelwerk verfasst. Und schon damals stellte man, wie es in einer zeitgenössischen Veröffentlichung heißt, nicht nur eine Norm für schwankende Fälle auf, sondern führte darüber hinaus auch eine ganze Reihe neuer Regeln ein.

Zu jener Zeit ging es etwa um die Schreibung "ie" in Wörtern wie "stolziren" und "inspiziren", in Fällen wie "Gluth" und "Noth" sollte das "h" entfallen, andererseits schrieb man nach wie vor "That", "Thor" und "Unterthan". Das "ß" in "Gleichniß" verschwand. In "Waare" entfiel das doppelte a, jedoch dem "Paar" blieb es erhalten. Die Ähnlichkeit mit den Ungereimtheiten der heutigen Regelung verblüfft. Wie offiziell verlautete, sollte das Reformwerk zur "Herstellung größerer Einigung in der deutschen Rechtschreibung" beitragen.

Aber, und das ist die zweite Parallele, auch damals rief die Reform, so ist zu lesen, "im Publikum und in der Presse großes Aufsehen hervor". Im Reichstag gab es eine starke Opposition, und einer wurde gar zum Rebellen: Fürst Otto von Bismarck. In einem Erlass vom 28. Februar 1880 forderte er die Beamten seines Ressorts "bei gesteigerten Ordnungsstrafen" auf, nicht von der "hergebrachten Orthographie abzugehen".

Protest hin oder her: Konrad Dudens bayerisch-preußischem Kompromiss war es zu verdanken, dass sich die neue Schreibung trotz des Föderalismus mit wenigen Variaten in allen Teilen des Kaiserreiches durchsetzte. Wird es dem Widerstand der "FAZ" ähnlich ergehen wie seinerzeit den Protestlern im Reichstag? Weshalb die Menschen sich mit Schreibreformen schwer tun, hat wohl am besten der Sprachforscher Jakob Grimm formuliert: "Die Veränderung üblicher Wortschreibung führt etwas Gewaltsames und Störendes mit sich; niemand behelligt sich gern mit Kleinigkeiten." Die nächste Reform, damals in Berlin, kam bereits 1901.

Gerhard Trey

Zur Startseite