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Den Swing im Herzen. Komponist Klaus Wüsthoff im Jahr 2007.

© privat

"Regentrude" von Klaus Wüsthoff: Am Tag, als der Regen nicht kam

Der Komponist Klaus Wüsthoff hat das Kunstmärchen "Regentrude" neu vertont. Atmosphärisch dicht und mit Martina Gedeck als Erzählerin.

95 Jahre – ein gutes Alter, um sich Gedanken über die Zukunft zu machen. Seit er den Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber kennengelernt hat, beschäftigt den Berliner Komponisten Klaus Wüsthoff, Jahrgang 1922, besonders die Frage, wie sich die Erderwärmung eindämmen lässt. Er hat das Projekt der Klimaglocken ins Leben gerufen, die zum Beispiel im vergangenen November 2017 bei der 23. Bonner Klimakonferenz in 17 Städten zur Mahnung läuteten, von Potsdam bis München und von Rotterdam bis Dallas/Texas.

Und er hat eine alte Partitur aus den Sechzigerjahren wieder hervorgeholt, „Die Regentrude“, nach dem Kunstmärchen von Theodor Storm. Einst als Ballett angelegt, hat er jetzt eine fast einstündige sinfonische Dichtung für Erzähler und Orchester daraus gemacht.

Exzellente Akustik

Und weil Klaus Wüsthoff auch im gesegneten Alter noch „das Feuer eines Jünglings“ besitzt, wie es der 23 Jahre jüngere Hans Joachim Schellnhuber sichtlich beeindruckt formuliert, ist es ihm sowohl gelungen, eine Live-Aufführung durch das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt zu organisieren, als auch dafür zu sorgen, dass seine „Regentrude“ auf CD verewigt wird. Beim Label Klanglogo ist das Stück jetzt erschienen, mitgeschnitten in der mit einer exzellenten Akustik aufwartenden Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Konzerthalle von Frankfurt und mit der großen Schauspielerin Martina Gedeck als Erzählerin.

„In alten Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat“, spielt die Geschichte, es geht um die „Regentrude“ genannte Naturgöttin, die für gute Ernten sorgt, dann aber von ihrem Widersacher, dem Feuermann, durch einen hinterhältigen Trick in Dauerschlaf versetzt wird. Weil die Felder zu verdorren drohen, nimmt das junge Liebespaar Maren und Andrees den Kampf gegen den Feuermann auf, obsiegt – und darf zum Happy End dann heiraten.

Weite Melodiebögen und raffinierte Klangmischungen

Atmosphärisch dicht entfaltet sich bei den von Ulrich Kern geleiteten Frankfurter Musikern die Märchenvertonung. Wüsthoff komponiert weite Melodiebögen, findet raffinierte instrumentale Klangmischungen, doch es sind vor allem Puls und Rhythmus, die der Partitur ihren individuellen Reiz verleihen. Klaus Wüsthoff hat einfach den Swing, ist tief in seinem Herzen ein Jazzer.

Und das spürt man auch, wo er für großes Orchester komponiert. Ein tolles Beispiel dafür ist die 1956 entstandene Suite „Die Schelde“, die auf der CD mit der „Regentrude“ kombiniert wird. Echte Wirtschaftswundermusik ist da zu hören, die vor positiver Energie und Aufbruchsstimmung geradezu vibriert. Einst wurde diese Art sinfonischer Unterhaltungsmusik von den Rundfunktanzorchestern gespielt. Das Genre hatte sogar ein eigenes Festival – als Gegenpol zum Avantgarde-Treff in Donaueschingen –, nämlich „Die Woche der Leichten Musik“ in Stuttgart, bei der Klaus Wüsthoff regelmäßig präsent war.

Weit, fast so weit wie die romantische Märchensphäre Theodor Storms, scheinen diese Zeiten mittlerweile zurückzuliegen.

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