zum Hauptinhalt
Ikonisch mit Stirnfransen und Sonnenbrille: May Spils ist Feministin, vor allem aber eine geniale Dilettantin.

© picture alliance / dpa

Regisseurin May Spils wird 80: Die einzige Erwachsene im Jungs-Sandkasten

Mit der Slacker-Komödie „Zur Sache Schätzchen“ hat May Spils den definitiven Schwabing-Film gedreht. Jetzt wird die zu Unrecht vergessene Regisseurin 80.

„Was die da machen, das kann ich auch.“ Dachte sich May Spils, als sie bei „Kleine Front“ mitspielte, Klaus Lemkes erstem Kurzfilm. 1965 war das. Die gebürtige Niedersächsin Spils zählte 24 Jahre, hatte vor Lemke bereits eine Mikrominirolle in Ernst Hofbauers Schlagerfilm „Holiday in St. Tropez“ ergattert, ein paar Script-Jobs gemacht. Und inszenierte daraufhin 1966 ihre ersten beiden Kurzfilme „Das Portrait“ und „Manöver“. Learning by doing – und laughing by listening.

Spils, die am Donnerstag 80 Jahre alt wird, bildet seit 1963 ein kongeniales Team mit ihrem Hauptdarsteller, Hauptsprücheklopfer, Chefslacker und Lebenspartner Werner Enke. Enke und Spils: Als „Zur Sache Schätzchen“ 1968 für einen halben Appel und ein Viertel Ei entstand, mit von Enke improvisierten Dialogen, für die es ein eigens geschaffenes „Filmband in Gold“ gab, hatte man ein lässigeres, aus der Hüfte geschossenes Szeneportrait noch nicht gesehen.

Im gleichen Jahr inszenierte Ula Stöckl ihr essayistisch-feministisches Debüt „Neun Leben hat die Katze“, Gitta Nickel beobachtete als Dokumentarfilmregisseurin den DDR-Alltag. Aber eine Schwabing-68er-Komödie mit dieser Verve und Schlagfertigkeit, dieser Leck-Mich-Haltung, die ein Lebensgefühl einfängt, anstatt zu verkopfen? Das war einzigartig.

Mit „Zur Sache Schätzchen“ und seinem Nachfolger „Nicht fummeln, Liebling“, deren verknittert von Tagedieb Enke vorgetragene Sprüche bis heute ziehen, egal ob „Nicht schießen, ich bin Bluter“ oder „Ich hätte gern ein Wurstbrot, wo die Wurst so richtig überlappt“ setzte sich Spils in der Geschichte des deutschen Kinos fest.

Beanspruchte einen Platz, den ihr bis heute keiner wegnehmen kann. Scheuchte als Regisseurin ihren Partner Enke (sie nennt ihn noch immer beim Nachnamen) herum, und profitierte bewusst von seinem Sprachwitz; lernte Timing und Dramaturgie im Schneideraum; und setzte der (Schwabinger) Filmszene ein schwarz-weißes Denkmal.

An ihre frühen Erfolge konnte Spils nie wieder anknüpfen

Dass es danach mit den aus heutiger Sicht immer noch außergewöhnlich freien und von absurdestem Slapstick geprägten Werken wie „Wehe wenn Schwarzenbeck kommt“ (1979) und „Mit mir nicht, du Knallkopp!“ (1983) nicht mehr klappte für Spils, liegt an vielen Dingen: Die Zeiten hatten sich geändert, die Kulturszene war – absichtlich und notgedrungen – politisiert, ein Genderbewusstsein war entstanden.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die von Uschi Glas und Gila von Weitershausen verkörperten Frauenfiguren – „Objects of Desire“ – wurden zurecht ablehnte. Die Leichtigkeit war hin. Ist May Spils trotzdem eine Feministin? Klar, sie hat sich genommen, was sie wollte. Zudem war sie geniale Dilettantin, bevor es den Begriff gab.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Für Spils blieben die 15 Jahre, in denen sie mit abnehmendem Erfolg ihre Karriere verfolgte, vermutlich prägend – nach dem letzten Werk, das 1983 nach drei Tagen aus den Kinos genommen wurde, tauchte Spils außerhalb ihrer Münchner Freund:innenblase nur noch selten auf, wurde mal auf der Berlinale geehrt, mal zum Thema Film, Frau oder 68er interviewt.

Alle Nase lang werden ihr Ausstellungen und Reihen gewidmet. Spils kommt dann auch, und erzählt unsentimental von früher: Dass man viel getrunken habe, dass man „Außer Atem“ liebte und viele Weggefährt:innen nicht mehr sind. Aber weitere Filme hat sie nicht inszeniert, hat keine Autobiografien geschrieben, taucht kaum in Dokumentationen auf.

Auch das saucool: Aufhören können ist eine Stärke, sagte eine andere weise Frau namens Ingeborg Bachmann. Spils lebt immer noch mit Enke zusammen, er schaut immer noch zerknittert, sie trägt immer noch Stirnpony und Sonnenbrille. Ob es je einen Film über das Phänomen Spils/Enke geben wird? Schwer zu glauben. So eine Coolness ist angeboren. Die kann man nicht spielen.

Zur Startseite