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© Hoffmann und Campe

Reinhard Kaiser-Mühleckers „Schwarzer Flieder“: Vertreibung aus dem Paradies

Er ist eine der ungewöhnlichsten Erscheinungen der Gegenwartsliteratur: Reinhard Kaiser-Mühleckers „Schwarzer Flieder“.

Er ist eine der ungewöhnlichsten Erscheinungen der Gegenwartsliteratur. Ungewöhnlich, weil Reinhard Kaiser-Mühleckers Erzählen eine intuitive Sicherheit ausstrahlt, wie man sie bei keinem seiner Generationsgenossen empfindet. Ungewöhnlich auch, weil er mit vertrauenswürdiger Bedächtigkeit etwas zu erzählen hat, das alle Bemühtheit um Zeitgenossenschaft irritierend meidet. Seinen Geschichten liegen archaische Muster zugrunde; sie handeln, so schlicht ließe es sich sagen, von der Verlorenheit des Menschen. Dabei bleibt er der oberösterreichischen Gegend verbunden, in der er 1982 geboren wurde.

Nach seinem großen, von der Kritik fast übersehenen Roman „Roter Flieder“ aus dem Jahr 2012 beschließt er nun mit „Schwarzer Flieder“ seine Saga der Familie Goldberger. Er erzählt darin von der Vertreibung aus dem Paradies, von einem Fluch, der auf dieser Bauersfamilie liegt, von Verwerfungen und Sprachlosigkeit, Schuld und blindem Ehrgeiz. Anfang der 1940er Jahre setzt die Erzählung ein und kommt nun mit der siebten Generation in der Gegenwart an ihr Ende.

Ferdinand ist der uneheliche Sohn des einst nach Bolivien geflüchteten Paul. Erst nach dessen Tod, da ist Ferdinand 16, erfahren die verbliebenen Goldbergers, was es mit ihm auf sich hat. Aber auch Ferdinand hält es nicht lange auf dem Hof seines Onkels aus, geht nach Wien, findet Arbeit im Landwirtschaftsministerium, findet seine große Liebe Susanne wieder und verliert sie von Neuem. Schließlich macht er sich auf nach Südamerika und kehrt erst zurück, als der Hof seiner Familie zu zerfallen droht.

Was dann geschieht, schildert der ruhige Erzähler schier wütend: In einem gerechten Furor räumt der verschlossene Ferdinand mit Familienlügen und überkommenen Traditionen auf. Er vollendet den Fluch, der auf den Goldbergers lastet, in einem Handstreich. Er verkauft all das, was über Jahrzehnte dem Hof zugeschlagen wurde, bis nur noch ein kleiner Flecken übrig bleibt – jener, mit dem einst alles begann. Kaiser-Mühlecker erzählt das mit poetischer Unbedingtheit. Selbst in den dramatischsten Szenen vertraut er noch einer den Einzelheiten nachspürenden Sprache. Er ist kein Idylliker, sondern ein Beobachter des Scheiterns und ein Bewahrer von Gesten, Sprache, Sehnsüchten.

Reinhard Kaiser-Mühlecker: Schwarzer Flieder. Roman. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2014. 237 Seiten. 19,99 €.

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