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Kultur: Reisen an die Quelle des Lichts

Nicht in Venedig, sondern im unweit gelegenen Treviso ist das norditalienische Kunstereignis diesen Winters zu besichtigen. Die ausgeprägte Sponsorentätigkeit der Sparkassen und ihrer hauseigenen Stiftungen - in diesem Falle der Fondazione Cassamarca - macht es möglich, dass in der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz rund einhundert Werke von Claude Monet zu besichtigen sind.

Nicht in Venedig, sondern im unweit gelegenen Treviso ist das norditalienische Kunstereignis diesen Winters zu besichtigen. Die ausgeprägte Sponsorentätigkeit der Sparkassen und ihrer hauseigenen Stiftungen - in diesem Falle der Fondazione Cassamarca - macht es möglich, dass in der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz rund einhundert Werke von Claude Monet zu besichtigen sind. Dabei handelt es sich, und das macht den Rang der Ausstellung aus, nicht um eine der sattsam bekannten Mixturen, die der Zufall der Leihbereitschaft zusammengestellt hat, sondern um eine thematische Annäherung an das Riesenwerk des französischen Impressionisten.

Nicht weniger als rund 2000 Gemälde hat Monet geschaffen, in stilistischer Abfolge vom Naturalismus des Frühwerks über den prägenden Impressionismus bis zur Semi-Abstraktion seiner späten "Seerosen" am Alterssitz Giverny. Wie wichtig dieses Refugium mit dem nach Monets Wünschen gestalteten japanischen Garten war, ist bekannt. Was aber verdankt Monet seinen erstaunlich zahlreichen Reisen quer durch Europa?

Diese Frage stellt die Ausstellung in Treviso unter dem Titel "Die Orte der Malerei". Wenn der Impressionismus die Malerei des natürlichen Lichtes ist, so zeigt Monet, wie unterschiedlich dieses Licht je nach Ort und nach besonderer Jahreszeit ist, wie dieselben bescheidenen Gegenstände, die Häuser und die Boote, die Wege im Feld und die Bäume an ihrem Saum, darin unterschiedlich leuchten und hervortreten können. Monet hat die Normandie und die Bretagne bereist, die schon in der Generation vor ihm, bei Courbet etwa, mit ihren schroffen Felsen und wütenden Wellen ein beliebtes Sujet bildeten, er ist dann umgekehrt an die Mittelmeerküste gefahren, als sie gerade erst "entdeckt" wurde, er hat sich in den nördlichen Nachbarländern aufgehalten und dann auch in Venedig, und er hat neben den ländlichen Idyllen die Spezifik der Großstadt gesucht, zunächst in Paris und dann in London.

Monet ist der Zeitgenosse der Erfindung des Massentourismus. Die Eisenbahn ermöglicht dem Mittelstand in bald schon beliebiger Wiederholung, was früher als Bildungsreise selbst für begüterte Schichten das einmalige Erlebnis eines ganzen Lebens bleiben musste. So sind denn die "Orte der Malerei" durch die Reichweite der Eisenbahn bestimmt: Auf Argenteuil, ein Seine-Dörfchen im Dunstkreis von Paris, folgt die Normandie, ehe schließlich die Reise ins mediterrane Antibes möglich wird. Die einzelnen Reisen Monets sind in der Ausstellung mit Vergrößerungen zeitgenössischer Fotografien dokumentiert, die die topographische Genauigkeit des Malers belegen, aber ebenso die Abweichungen, die er aus kompositorischen Gründen vornimmt.

Briefzitate belegen die bitteren Umstände, denen Monet sein vermeintlich so unbeschwertes Werk abgerungen hat. Neben der materiellen Not steht das private Leid nach dem frühen Tod seiner Frau Camille 1879. Das Interesse an den "Sensationen" der Natur nimmt zu, an den Lichteffekten bei unterschiedlichem Wetter bis hin zu Eis und Schnee. Zunehmend beginnt Monet, diese Effekte zu überzeichnen, wie insbesondere die eindrucksvolle Reihe der Londoner Ansichten um das Jahr 1900 herum belegt. Der gefürchtete Londoner Smog löst sich in zarte rosa Schlieren auf, die Silhouetten von Parlament oder Waterloo-Brücke verschwimmen in lilagrünen Schatten.

Der bewundernswerte Einsatz der italienischen Schulen für kulturelle Bildung hat zur Folge, dass die engen Räume des alle Etagen eines Palazzo durchmessenden Ausstellungsrundgangs den Publikumsansturm kaum fassen können. Gerade weil sich Treviso überwiegend auf kleinere Museen als Leihgeber stützen musste - selbst Belgrad oder gar Kairo sind vertreten -, gibt es eine ganze Anzahl von kaum gesehenen Werken zu entdecken, ja sogar ein bislang unbekanntes Gemälde wird vorgestellt. Der wissenschaftliche Anspruch der Ausstellung wird untermauert durch eine beeindruckende Begleitpublikation mit einem heutzutage fast schon seltenen, Werk für Werk erläuternden und nochmals abbildenden Katalogteil. Gerade in Konkurrenz zu verschiedenen erkenntnisarmen Monet-Gelegenheitsausstellungen anderenorts zeigt sich Treviso als Entdeckung der Saison.

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