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Kultur: Reisender, kommst du zum Abflugschalter

Eine Wiese und eine Wegkreuzung – mehr brauchte man vor 100 Jahren nicht fürs Fliegen. Kurz nach dem ersten Motorflug der Gebrüder Wright im Jahre 1903 entstand in Johannisthal im Südosten Berlins der erste öffentliche Flugplatz Deutschlands.

Eine Wiese und eine Wegkreuzung – mehr brauchte man vor 100 Jahren nicht fürs Fliegen. Kurz nach dem ersten Motorflug der Gebrüder Wright im Jahre 1903 entstand in Johannisthal im Südosten Berlins der erste öffentliche Flugplatz Deutschlands. Dort siedelten sich Flugzeugwerke, Fliegerschulen und andere Institutionen an. Fliegen war eine Sensation, für die wenigen Passagiere wie für die vielen Zuschauer. Bald wurden aus den Schuppen komplexe Gebäude, die auch in Städtebau und Landschaftsplanung eingreifen. Heute wird oft kritisiert, Flughafenbauten seien nur auf die Zwänge von Flugplänen, Starts und Landungen ausgelegt.

Doch die Geschichte der Flughafenarchitektur widerspricht diesem Bild von bloßen Transitstationen, wie jetzt eine klug konzipierte Ausstellung des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt zeigt. Die „Weltflughäfen“ betitelte Schau beginnt mit einem Rückblick auf 14 Flughäfen, vom Startpunkt der Gebrüder Wright in Dayton bis zum Bau von London-Stansted (1981/91).

Im Mittelpunkt stehen sechs im letzten Jahrzehnt entstandene Flughäfen von Washington über München bis Kuala Lumpur und Hongkong, ergänzt um Projekte in Berlin-Brandenburg und Bangkok. Der abschließende dritte Teil stellt am Beispiel des Frankfurter Flughafens diverse Gebäudetypen wie Passagierterminal, Kontrollturm, Luftfrachthalle und Hotels vor. Denn Flughäfen wie Bahnhöfe verwandeln sich derzeit zu Dienstleistungszentren, bieten Einkauf und Event. Der Rückblick indes charakterisiert die eigenwillige Architektur der Flughäfen: Tempelhof (1936/39) als monumentalen Bau in Form eines Kleiderbügels, der selbst Flugzeuge vor Regen schützt; Tegel (1974/82) als autogerechte Anlage, und der New Yorker Kennedy-Flughafen (1956/62) expressiv-pathetisch in Form eines Vogels. Nicht realisiert wurde 1932 André Lurcats Vision von Start- und Landebahnen auf einer Seine-Insel beim Eiffelturm. Immerhin war der nächste Flughafen 45 Minuten entfernt.

Diesem informativen Rückblick stehen im aktuellen Teil ästhetische Eindrücke gegenüber. Kurator Manuel Cuadra will mit großformatigen Fotos die riesigen Dimensionen moderner Flughäfen vermitteln. Daneben Modelle und Zeichnungen: auf erläuternde Texte wird verzichtet. Immerhin hat sich Cuadra die Mühe gemacht, die Architekten zu befragen und zu filmen. Für Hans-Busso von Busse etwa, den Architekten des neuen Münchner Flughafens, ist Licht das wichtigste Gestaltungsmittel. Selbst die lieblosen Plastiksitze gehören der Vergangenheit an, wie Rafael Moneo zeigt. Sein kompakter Bau für Sevilla mit vier parallelen Fingern hat von außen nichts mit einem Flughafen gemein; auch innen bietet Moneo mit orientalisch angehauchten Sälen und ebenso eleganten wie ergonomischen Sitzmöbeln viel Abwechslung.

Ohnehin gibt es im Zeitalter der Globalisierung viele regionale Besonderheiten, wie das parabelförmige Airport-Dach von Kuala Lumpur zeigt. Neugierde weckt auch der geplante Berlin-Brandenburger Flughafen des Architektenbüros von Gerkan, Marg und Partner. Vor der Start- und Landebahn verläuft parallel das zentrale Terminal, verbunden durch eine 300 Meter lange Passagierbrücke, unter der die Flugzeuge entlangfahren können. Das zweigeschossige Hauptterminal trennt Ankunft und Abflug, so dass die Menschenströme nicht mehr kanalisiert werden müssen.

Wie gut derlei Ideen in der Praxis funktionieren, wird die Zukunft zeigen. Jedenfalls erscheinen die acht neuen oder geplanten Flughäfen in Europa, Asien und Amerika als homogene Projekte. Dagegen ist der 1930 gegründete Frankfurter Flughafen über Jahrzehnte zum größten Deutschlands gewachsen. Diese Dimensionen hat vor über 70 Jahren niemand geahnt, so dass heute oft Flickwerk betrieben werden muss: Neuerdings ist eine dritte Landebahn geplant, die umliegenden Gemeinden laufen Sturm dagegen. Bei der Eröffnung des Johannisthaler Flugplatzes im Herbst 1909 indes war die Technikbegeisterung noch groß.

Leider fällt der Blick auf die Gegenwart flüchtig aus. Außerdem hätte man auf Inszenierungstricks mit Gangway, Sicherheitsschleuse und Gepäckwagen getrost verzichten können. Das große Thema Flughafen wurde in eine zu kleine Ausstellung gezwängt. Gewiss spielen finanzielle Gründe eine Rolle: Von 250000 Euro Gesamtkosten steuerte die Stadt 15000 Euro bei; den Löwenanteil übernahmen Lufthansa und Frankfurter Flughafen AG. Dabei will Museumschefin Ingeborg Flagge ohnehin von den großen Ausstellungen weg. Etwas mehr Informationsbedürfnis darf sie ihren Besuchern dennoch unterstellen. Christian Huther

Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt/Main, bis 22. September. Katalog im unius Verlag, 15,90 Euro, geb. 34,90 Euro.

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