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Kultur: Rendezvous mit einer Bronzekugel „Crossart“ in der Bonner Bundeskunsthalle

Jean-Christophe Amman hat ein ausgesprochen erotisches Verhältnis zur Kunst. Der frühere Direktor des Frankfurter Museums für Moderne Kunst vertraut darauf, dass Kunstwerke – wenn man nur die richtigen Konstellationen herstellt – ihre erotische Energie nicht nur untereinander entfalten, sondern auch auf den Betrachter übertragen.

Jean-Christophe Amman hat ein ausgesprochen erotisches Verhältnis zur Kunst. Der frühere Direktor des Frankfurter Museums für Moderne Kunst vertraut darauf, dass Kunstwerke – wenn man nur die richtigen Konstellationen herstellt – ihre erotische Energie nicht nur untereinander entfalten, sondern auch auf den Betrachter übertragen. Nicht anders als bei blind dates im Leben schlägt dann im besten Fall die Liebe ein wie der Blitz. Manchmal wird eine amour fou daraus. Meist bleibt es bei einer kurzen Begegnung. Im schlimmsten Fall zeigt man sich eben die kalte Schulter. Als Amman der Vorschlag gemacht wurde, für die Bonner Bundeskunsthalle die Ausstellung „Crossart“ zu kuratieren, war lediglich ein Rahmen vorgegeben: Er sollte Werke aus zehn Museen des Niederrheins und der Niederlande einem großen Publikum vorstellen. Beim Konzept hatte er freie Hand. Amman ließ sich sämtliche Kataloge schicken, suchte Bilder, Skulpturen, Installationen aus und entwarf solche blind dates. Dabei versetzte er sich in die Rolle des Gastgebers, der eine Tischordnung für die Werke erstellt. Bei der Auswahl vertraute er allein seinem Instinkt. Ein „Konzept“ lehnte er ab. „Die Werke sind das Konzept!“ behauptet er trotzig.

Fast wie auf Ammans Skizzen steht die Ausstellung nun da. In 13 Räumen sind 140 Werke versammelt. Zeitlich reichen sie von kleinformatigen Ölbildern Vincent van Goghs aus den 1880er Jahren bis zu Franz Gertschs überdimensionalem Tempera-Gemälde „Silvia II“ von 2000. Das verbindende Element sind die Saaltexte von Kai Heymer, Projektleiter der Ausstellung. Denn ganz so konzeptionslos wie sie vorgeblich aus Jean-Christophe Ammans Bauch heraus geboren wurde, wollte man die Ausstellung doch nicht stehen lassen. Diese Texte sind Navigationshilfen durch Ammans Inszenierungen der Moderne, die nicht immer so sinnfällig sind wie bei der Begegnung von Giacomettis Bronzen „Bein“ und „Schreitender Mann“, die Carl Andres Boden-Quadrat „Verwitterungsobjekt“ aus Metallkacheln zu überqueren scheinen, flankiert von Maillols kleinen Terrakotta-„Kämpferinnen“. Als gelungen erweist sich die „Erde“ überschriebene Begegnung zwischen zehn in Schlammtönen gehaltenen Landschaften, Stillleben und bäuerliche Figuren van Goghs und Lucio Fontanas Bronzekugeln der „Natura“-Reihe (1980/81).

Am Anfang war „Crossart“ nur eine Marketing-Idee. Zehn niederrheinische Museen – sechs deutsche und vier niederländische –, die sonst im Schatten der Kunstachsen Köln-Bonn-Düsseldorf und Rotterdam-Den Haag-Amsterdam stehen, haben sich zur „Route moderne Kunst“ vereint. Die Ausstellung ist ein Pilotprojekt und könnte in Zeiten knapper Kassen ein Modell für ähnliche Initiativen sein.

Bundeskunsthalle, Bonn, bis 6.11.; Katalog (Hatje/Cantz Verlag) 25 € Euro.

Sabine Heymann

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