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Kultur: Rennen auf heißem Asphalt Das HU-Orchester in

der Heilig-Kreuz-Kirche.

„Silbersee“ gibt es keinen, wenn das Symphonische Orchester der Humboldt-Universität in der Heilig-Kreuz-Kirche auftritt. Auf dem Podium wie im Saal fast nur braune und blonde Haarschöpfe, Kumpels und Kommilitonen, die hören wollen, was ihre Mitstudenten zustande bringen. Das russisch dominierte Programm beginnt – ausgerechnet! – mit Wagner, der Grund dafür sei gleich nachgereicht. Dirigent Constantin Alex muss das Tempo ziemlich gedrosselt anlegen, wohl aus Rücksicht auf die Musiker, die in der Regel keine Profis sind. Was aber zur Folge hat, dass das „Meistersinger“-Vorspiel im Zähflüssigen, Teerigen stecken bleibt. Stolzings Lied, das Geschnatter der Nürnberger, all die wunderbaren musikalischen Stränge, die Wagner hier zu seinem humansten Werk überhaupt verwebt – sie wollen nicht leuchten.

Dann Tschaikowsky, op. 35, das legendäre Violinkonzert. Die niederländische Solistin Tosca Opdam, zurzeit JuilliardStudentin, legt gut vor, lässt die Geige im ersten Satz episch erzählen, besonders in der Tiefe gelingt ihr ein süffiger, ebenhölzerner Klang. Aber die so exponierten, einsamen Spitzentöne in der Kadenz, die zudem noch durch fiese Pausen vom Rest der Textur getrennt sind, sie wollen nicht alle gelingen. Und im mörderischen Tempo des Schlusssatzes gerät vieles zu verhuscht-pauschal, als renne Opdam über heißen Asphalt, ohne sich verbrennen zu wollen. Die Bereitschaft dazu muss aber da sein, wenn man künstlerisch etwas gewinnen will.

Am überzeugendsten – weil am besten geprobt? – wirkt das Orchester in Glasunows 6. Symphonie, in der eine breite, verlässliche Tiefenströmung aus gleißenden Streichern die Interpretation stützt. Glasunow, der Akademiker, der Techniker – er war von Wagners narkotischer Musik entsetzt und abgestoßen und analysierte sie doch bis zum Exzess. Ergebnis: Im Finalsatz kehrt das „Meistersinger“-Motiv wieder, verfremdet, collagiert, eine überraschende, modernistische Wendung des Traditionalisten. Und ein reizender, erstaunlich selten gespielter Beitrag zum Wagner-Jahr. Udo Badelt

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