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Unterwegs. Ein Tourist in der Wüste von Dunhuang in der nordchinesischen Provinz Gansu, nahe der historischen Kreuzung der Seidenstraße.

© Oliver Weiken/dpa

Reportage "Siddhartas letztes Geheimnis": Autor Erich Follath folgt den Spuren eines legendären Mönchs

Der Chinese Xuanzang sucht im Mittelalter nach Buddhas Schriften. Fast 17 Jahre ist er auf der Seidenstraße unterwegs, durchquert Wüsten und Berge. Journalist Erich Follath folgt seinen Spuren.

Marco Polo und vielleicht noch Ibn Battuta kennt man als große Reisende des Mittelalters, deren Neugier sie an die Grenzen der damals bekannten Welt führte. Aber Xuanzang, einen buddhistischen Mönch aus China, der sich 629 von Luoyang in Henan aus gegen den Willen des Kaisers aufmachte, um Wüsten zu durchqueren und Berge zu überwinden, um die ursprünglichen Schriften des Religionsgründers Siddharta Gautama zu finden? Er nutzte dabei die Seidenstraße, die heute spätestens seit dem 2013 von Staatspräsident Xi Jinpings angekündigten Aufbau eines „Seidenstraßen-Gürtels“ und einer „maritimen Seidenstraße“ des 21. Jahrhunderts wieder an Bedeutung gewonnen hat. China schwebt dabei mehr vor als die Wiederbelebung alter Handelsrouten. China geht es offiziell um die Vernetzung Eurasiens, um die Erschließung neuer Wirtschaftsräume und die politische Stabilität in der Region.

Der Politikwissenschaftler und Journalist Erich Follath hat ein Faible für Asien und sich ein Jahr lang auf den Weg gemacht, den Spuren dieses in Indien und China verehrten Mönches zu folgen – ein abenteuerliches Unternehmen, das ihn nicht nur zu den beiden asiatischen Großmächten führte, sondern auch in die zentralasiatischen Staaten, die in die neue Seidenstraße Chinas wieder eingebunden werden sollen. Vor allem in China setzt man dem Mönch Denkmäler.

In „Siddhartas letztes Geheimnis. Eine Reise über die Seidenstraße zu den Quellen des Buddhismus“ unternimmt Follath in 13 Reportagen den Versuch, einerseits der historischen Figur Xuanzangs und seinem Werk gerecht zu werden und andererseits in der Welt von heute nach den Spuren des großen buddhistischen Gelehrten zu suchen. Dabei dient ihm Xuanzangs Buch „Reise nach Westen“ als Leitfaden.

Er schildert zunächst das Leben dieses Ausnahmemönches, der um 600 in ärmlichen Verhältnissen bei Luoyang am Gelben Fluss in wirren Zeiten aufwuchs, in denen ein despotischer Kaiser fast das Reich zugrunde gerichtet hätte. Wahrscheinlich ist es seiner buddhistisch geprägten Mutter zu verdanken, dass er sich nach dem plötzlichen Tod der Eltern, dem Vorbild seines Bruders folgend, mit dem buddhistischen Glauben beschäftigt. Er bekommt als Zwölfjähriger im „Kloster des Weißen Pferdes“ eines der seltenen staatlichen Stipendien und macht trotz politischer Wirren rasch Karriere. Aber je mehr Xuanzang sich mit der buddhistischen Lehre beschäftigt, desto mehr kommen ihm Zweifel, ob die chinesischen Übersetzer immer korrekt gearbeitet haben, ob sie genügend Sanskrit konnten, das er neben anderen Sprachen gelernt hat. Er fasst den Entschluss, komme, was wolle, in Buddhas Heimat nach Indien zu reisen, die Originalschriften aufzuspüren, sie nach China zu bringen und dort zu übersetzen. Dieses Vorhaben gelingt ihm nach einer fast 17-jährigen abenteuerlichen Reise.

Die Reise führt Follath von Luonyang nach Turfan in China, nach Bischkek im heutigen Kirgisistan, nach Samarkand in Usbekistan, der einstigen Metropole an der Seidenstraße, über Peschawar in Pakistan durch Indien bis nach Nalanda, wo man mit einer neuen Universität die Tradition der Gelehrsamkeit unter Xuanzang wieder aufleben lassen möchte. So gesehen ist das Erbe Xuanzangs in Indien und China lebendig, vor allem aber in Xian, dort, wo die Reise des Gelehrten endete und die berühmte Wildganspagode noch von dem Kloster zeugt, das er, der Freund des Kaisers, einst begründet hatte.

Xuanzang ist in den Reportagen und damit der Gegenwart der Städte mal mehr, mal weniger präsent. Aber Follath erlebt auf seiner Reise eine Weltregion, die sich in einem rasanten Transformationsprozess befindet. Trotz allen Wandels gibt es Konstanten: „Den großen Basar der Stadt würde der Reisende von damals auf jeden Fall leicht wiedererkennen. Alles spricht dafür, dass sich an der Art der dargebotenen Waren und ihrer Anordnung nichts geändert hat“, stellt Follath in Samarkand fest. Aber an den „Singenden Sanddünen“ in China staunt er nicht schlecht, als die Touristen selbst am Getränkeautomaten mit der Kreditkarte zahlen – „der aktuelle Bankauszug wird in Sekundenschnelle aufs Handy übermittelt“.

Follath stellt sich häufig die Frage, was China mit seiner Seidenstraßeninitiative wirklich bezweckt? Geht es nur um selbstlose Wirtschaftsförderung für die Nachbarn oder darum, möglichst viele Staaten mit Krediten abhängig zu machen? Und dabei nutzt China noch Konfuzianismus und Buddhismus als Softpower, was in Indien Besorgnis auslöst. Denn dort, im Mutterland des Buddhismus, wo nur noch 1,5 Prozent der Bevölkerung Buddhisten sind, geht man nicht so virtuos mit dem Erbe Xuanzangs um wie in China, das in den Staaten der Region viel Werbung für sich macht. Dass sich etwa Kirgisistan auf das Werben Chinas einlässt, sei weniger eine Herzensangelegenheit als vielmehr eine pragmatische Entscheidung, bekommt Follath zu hören. Er spricht mit vielen Menschen, Taxifahrern, Studenten und Offiziellen, und schildert so ein buntes Bild voller Widersprüche aus Zentralasien.

Erich Follath: Siddhartas letztes Geheimnis. Eine Reise über die Seidenstraße zu den Quellen des Buddhismus. DVA, München 2018. 382 Seiten, 24 €.

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