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Mit dem Smartphone immer online - wie gefährlich ist das Internet?

© dpa

Re:publica 12: Das Internet droht uns zu versklaven

Mit Eben Moglen hat ein Pessimist die Konferenz der Netzoptimisten eröffnet – die re:publica. Aber nur, um zu einem neuen Freiheitskampf aufzurufen.

Wir befinden uns auf dem Weg in ein neues Zeitalter der Zensur und sind dabei, unsere Freiheit zu verschenken – so ungefähr lautet die Prämisse des Eröffnungsvortrages der Internetkonferenz re:publica, die am heutigen Mittwoch in Berlin begann. Eben Moglen, Professor für Rechtsgeschichte an der Columbia Law School in New York und Chefsyndikus der Free Software Foundation, warnt vor den Möglichkeiten, die das Netz Überwachern und Datensammlern eröffnet.

Moglen geht es dabei vor allem um Medien, um Musik, Filme, Bücher und Texte. In der digitalen Welt sei es nahezu unmöglich geworden, solche Inhalte zu nutzen, ohne dabei gleichzeitig von diesen beobachtet zu werden. "Die Dinge, die wir lesen, lesen uns", sagt Moglen. Wir würden bei jedem Schritt beobachtet und verfolgt und es sei das oberste Ziel der Anbieter, diese Daten auszuwerten, um das menschliche Verhalten vorherzusagen.

Neu ist diese Erkenntnis nicht. Moglen aber vergleicht sie mit historischen Entwicklungen. Amazon beispielsweise sei letztlich nicht anderes, als hätte der frühere sowjetische Geheimdienst KGB Bibliotheken betrieben, um jeden Leser zu überwachen. Mehr noch, wer versuche, anonymes Lesen möglich zu machen, der werde von Regierungen bedroht und verfolgt. Als Beispiel nennt Moglen Phil Zimmermann, den Erfinder des Mailverschlüsselungssystems PGP.

Dabei sei die Möglichkeit, sich anonym und unerkannt über jeden denkbaren Sachverhalt informieren zu können, bislang eine der Bedingungen von Freiheit gewesen, so Moglen. Wir hätten Hunderte Jahre lang gekämpft, "um den Raum in unserem Kopf zu beherrschen und unabhängig denken zu können". Jetzt verlören wir diese Hoheit wieder: Lesen, hören und sehen sei im Netz eben nicht mehr anonym – und damit letztlich auch nicht mehr das Denken.

Mit Moglens Vortrag die Konferenz zu eröffnen, ist eine interessante Entscheidung. Immerhin gilt die re:publica als Treffpunkt der Netzoptimisten.

Das nicht alles im Netz optimistisch und positiv ist, weiß auch Markus Beckedahl, Mitgründer und Mitveranstalter der Konferenz. "Es ging darum, das Spektrum darzustellen", den Leuten in Erinnerung zu rufen, dass das Netz eben nicht nur ein Ort großer Chancen sei, sondern auch einer, der Überwachungstechnologien ermögliche. Beckedahl fährt fort: "Lieber eine nachdenkliche Keynote als Friede, Freude, Eierkuchen."

Moglen fordert von Internetnutzern, für die Freiheit zu kämpfen. Sie seien die letzte Generation, die Anonymität noch erlebt habe. Sie kenne beide Seiten und müsse daher alles daransetzen, die Erinnerung daran wach zu halten.

"Wir brauchen freie Medien – oder wir verlieren die Freiheit zu denken, so einfach ist es." Damit unsere Gedanken frei sein könnten, sagt er, "brauchen wir freie Software, freie Hardware, freien Netzzugang". Sonst bestehe die Gefahr, dass unorthodoxes und unbeobachtetes Denken bald nicht mehr möglich sei. "Vielleicht nie wieder."

Warum Smartphones gefährlich sind

Stephan Noller macht das nachdenklich. Er ist Gründer von nugg.ad, einem Unternehmen, das sich mit sogenanntem Tracking und mit darauf basierender anonymer Verhaltensvorhersage im Netz beschäftigt. "Moglen hat Recht. Die Möglichkeiten, sich anonym im Netz zu bewegen, die es ja gibt, sind extrem brüchig", sagt Noller. Es sei beklemmend, wie wenig wir uns dessen bewusst seien.

Dabei hätten die Nutzer im Netz viel Macht und Kontrolle, sagt Noller: "Als Nutzer kann ich sehen, wie eine Website gebaut ist, ich kann im Browser in den Quellcode schauen und so sehen, wenn beispielsweise nugg.ad einen Tracking-Cookie eingebaut hat." Diese Cookies, die lokal auf dem Computer des Nutzers gespeichert sind, kann er jederzeit löschen.

Allerdings wird das, was Transparenz herstellt und damit Kontrolle möglich macht, gern beschnitten. Aktuelle Browser beispielsweise verstecken den Befehl, mit sich den Code einer Website anschauen lässt. Im Menü wird er nur nach Eingabe einer bestimmten Tastenkombination sichtbar. Viele nutzen ihn sowieso nicht.

Diese Bequemlichkeit prangert Moglen an und warnt vor allem vor Smartphones. "Wir schleppen gefährliche Dinge mit uns herum, die nicht für uns arbeiten, sondern für jemand anderen". Deshalb sei eine Art ethischer Code für das Netz dringend nötig. Dessen erste Regel müsse es sein, Nutzer nicht zu überwachen.

Diesen Code würde auch Noller unterschreiben. Schließlich gilt sein Unternehmen in der Welt der Datensammler und Überwacher als eines der sauberen, weil es beispielsweise Nutzerdaten nur anonym verarbeitet. Noller sagt, Anonymität sei wichtig und müsse möglich sein: "Es braucht mehr Datensparsamkeit, mehr Transparenz."

Wenn das kein Beleg für Moglens These von der Bedrohung ist: Jemand, der von Daten lebt, fordert selbst, die Menge der Daten zu begrenzen.

Zuerst erschienen auf Zeit Online

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