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Lockerer Schnack mit dem Regierungssprecher: Steffen Seibert bei der 12. Re:publica.

© dapd

Re:publica12: Friedensgipfel mit @regsprecher

Auch am letzten Tag gelingt es der diesjährigen Re:Publica nicht, Debatten anzustoßen. In grundlegenden Fragen herrscht Einigkeit, die sogar Vertreter der Exekutive einbezieht.

Fast hätte man es hoffen können: dass die Stimmung kippt, dass Fetzen fliegen, dass sich unüberbrückbare Gräben auftun. Fast hätte man gehofft, es möchten sich Konflikte ergeben, mit denen die sechste, größte und vielleicht langweiligste Re:publica ganz zum Schluss doch noch aufgeladen würde; ihren Vorgängerinnen gleich auf gesellschaftlichen Diskussionsbedarf weisend, anstatt allein die im letzten Jahr übergroß gewordenen netzpolitischen Debatten zusammenfassend. Fast hätte man es sich gewünscht: ein wenig Kleinmut, ein wenig Gift, ein wenig Nachfassen.

Die 12. Re:publica in Bildern

Es sollte dann allerdings bei einer einzigen wirklich kritischen Publikumsfrage an Steffen Seibert, unter dem Pseudonym @regsprecher twitternder Sprecher der Bundesregierung und Re:Publica-Neuling, bleiben. Die Frage danach, ob die Bundesregierung in Zukunft für Bürger relevante Daten nicht etwas fleißiger zur Verfügung stellen wolle, parierte der beim mittäglichen Podiumsgespräch auf Bühne 1 lässig, betonte, dass die Regierung dem Informationsfreiheitsgesetz allein in der Form nachkommen werde, dass Anfragen gesetzeskonform beantwortet würden. Damit war auch dieses Thema erledigt, der belanglose Schlagabtausch zwischen Seibert und Moderatorin Geraldine de Bastion konnte weitergehen: Seibert bekannte, das Wort "Troll" noch nicht zu kennen, und verriet sein Rezept gegen Shitstorms ("einfach das Ding zuklappen und acht Stunden zulassen").

Sehen Sie hier: Das Video zur 12. Re:publica in Berlin

Am Ende hatte sich der Regierungssprecher mit allerhand Schlagfertigkeiten zu seinen Twitteraktivitäten ("Man sollte in Fragen der Modernität nicht weit hinter dem Vatikan zurückbleiben"), Absichtsbekundungen bezüglich Partizipationsangeboten der Bundesregierung ("Im Netz ist noch viel Gemeinsinn - den möchten wir abholen"), kleinen Einschränkungen ("Das Netz ist nicht die Republik") und lustigen Anekdoten aus seinen Erfahrungen mit Bürgerdialogen im Internet ("Da hat man dann wieder die ganze Cannabis-Fraktion) zum tosenden Schlussapplaus charmiert.

Ähnlich reibungs- und damit spannungslos verlief auch der Auftritt der niederländischen EU-Kommissarin für Digitale Agenda Neelie Kroes am Morgen, zweite an diesem Tag auf der Konferenz vertretene Stimme der Exekutive. Wie die da sanft eine Bezahlkultur für urheberrechtlich geschützte Inhalte anmahnte ("At the end of the day there is no free lunch"), nebulös davon sprach, diese mit einem Mix aus rechtlichen Mitteln und Selbstverpflichtung erreichen zu können, und der Bloggerkonferenz schließlich zurief "Don't worry about Acta", hatte das eher etwas vom Beisammensein einer verständnisvollen Mutter mit den eigenen Kindern als von einem Aufeinandertreffen von Netzopposition und EU-Kommission.

Bilder vom Protest gegen Acta in Berlin

Fast schien es an diesem Tag, an dem die Kommissarin das umstrittene weil mit erheblichen Freiheitseinschränkungen verbundene Anti-Piraterie-Abkommen abräumte und der Regierungssprecher einen kontinuierlichen Ausbau der Zusammenarbeit von Bürgern und Bundesregierung ankündigte, als seien die netzpolitischen Themen der Re:publica, als sei das Streben nach Partizipation, Transparenz und umfassenden Freiheitsrechten im Internet schon zu sehr in der Gesellschaft angekommen, als dass es noch ernsthaft Thema einer einzelnen Konferenz sein könnte.

Konstruktive Auseinandersetzungen suchte man in diesem großen Miteinander vergeblich. Auch das morgendliche Panel zur Frage nach Urheberrecht in der Musik, eigentlich ein Garant für ausufernde Streitigkeiten, geriet da  zum Zusammentreffen noch etwas ratloser, aber bezüglich pragmatischer Wegbereitung erfolgreicher Geschäftsmodelle im Netz absolut gutwilliger Vertreter aller Lager - nach dem allerdings niemand wirklich schlauer war.  Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (Gema) hätte hier ein produktiver Widerstand sein können - ihr Vertreter sagte sein Kommen aber in letzter Minute ab. So blieb hier wie anderswo in der Station Kreuzberg sommerliche Einigkeit - als wäre alles gut. Oder ist es das am Ende tatsächlich?

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