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Restitution: Politisch so gewollt

Die letzte Anhörung des Restitutions-Ausschusses überaus umstrittenen Rückgabe des Gemäldes "Berliner Straßenszene“ von Ernst Ludwig Kirchner aus dem Brücke-Museum ist zu Ende. Den Schaden hat das Brücke-Museum – und damit das Land Berlin. Kurzum: wir alle.

Über zehn Monate hinweg hat der Sonderausschuss Restitution des Berliner Abgeordnetenhauses getagt. In elf Sitzungen wurden alle namhaften Sachverständigen gehört, um die in der Öffentlichkeit so überaus umstrittenen Rückgabe des Gemäldes „Berliner Straßenszene“ (1913) von Ernst Ludwig Kirchner aus dem Brücke-Museum zu klären. Die letzte Anhörungsrunde am Freitagnachmittag kam von den zuletzt erörterten Grundsatzfragen der Restitution „NS-bedingt entzogenen Kulturgutes“ noch einmal zurück auf den konkreten Berliner Fall. Schließlich war mit André Schmitz der damalige Chef der Senatskanzlei geladen, der Vertraute des Regierenden Bürgermeisters, der die Kirchner-Rückgabe an sich gezogen hatte. Aus der zuständigen Kulturverwaltung war nahezu nur Staatssekretärin Barbara Kisseler beteiligt, die aber, da von Rückgabe-Gegnern juristisch belangt, vor dem Ausschuss nicht aussagen mag und auch nicht muss.

Der Hergang der Ereignisse bleibt strittig. Die Sache war damals so geheim, dass es zu entscheidenden Gesprächen nicht einmal Protokollnotizen gibt. Aus den gleichwohl mehr als 1000 Seiten umfassenden Akten zogen die Abgeordneten den Schluss, dass Frau Kisseler bereits am 19. Oktober 2005 die Rückgabe fest beabsichtigte. „Ich möchte Frau Halpin“ – der Erbin – „eine verbindliche Zusage für die Rückgabe geben“, schrieb sie an den Finanzsenator – während das Landesamt für Offene Vermögensfragen noch danach, am 4. November 2005, erklärte, der Sachverhalt müsse weiter aufgeklärt werden. Die Senatskanzlei wurde überhaupt erst im März 2006 informiert, ein Umstand, über den Schmitz trotz beharrlichen Nachfragens nonchalant hinwegging. Aus diesem Monat stammte auch das Angebot der Deutschen Bank, eine etwaige Zwischenfinanzierung für den Erwerb des Gemäldes durch das Land Berlin bereitzustellen. Die Offerte wurde gar nicht mehr erwogen.

Klaus-Dieter Lehmann, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, hatte in der vorangegangenen Anhörung dargelegt, wie mühevoll sich der ganz ähnliche Vorgang bei Caspar David Friedrichs „Watzmann“, abspielte – nur eben erfolgreich. Lehmann antwortete auf die Frage nach der Beurteilung des Kirchner-Falles, es sei „entscheidend, dass man sich beraten lässt und versucht, möglichst früh mit den Erben ins Gespräch zu kommen“. Ein diplomatischer Hinweis auf die gravierenden Versäumnisse in Berlin.

Erst zum Ende der Befragung räumte der jetzige Kulturstaatssekretär Schmitz als „Lehre“ ein, „viel früher und offensiver Parlament und Öffentlichkeit einzubeziehen.“ Die Geheimniskrämerei hat jenes Pokerspiel zwischen der Senatsspitze und den Anwälten der Erbin ermöglicht, die in das politisch offenbar von vorneherein gewollte Ergebnis der Rückgabe mündeten. Schmitz führte dementsprechend als „persönliche Meinung“ aus, es habe nicht der Eindruck entstehen dürfen, „dass hier eine zweite Enteignung stattfindet“.

Das ist zielgerichtet an der Sache vorbei. Ein finanzieller Ausgleich, wie gerade von den Berliner Staatlichen Museen mehrfach praktiziert, ist keine Enteignung, sondern erfüllt das mittlerweile vorherrschende Erben-Interesse, das ansonsten über den Kunstmarkt befriedigt wird – wie eben bei dem spektakulär versteigerten Kirchner-Bild. Michael Eissenhauer, Präsident des Deutschen Museumsbundes, wies bei der vorangehenden Anhörung auf den Grundsatz des „fairen und gerechten Ausgleichs“ der Washingtoner Konferenz von 1998 hin. In der deutschen Umsetzung werde zu wenig die „Beiderseitigkeit, Gemeinsamkeit und Wechselwirkung“ berücksichtigt – nämlich die Museumsseite.

Im Kirchner-Fall haben Wowereit und seine Vertraute Kisseler, das wird man nach zehn Monaten Ausschussbemühungen sagen dürfen, zumindest voreilig gehandelt. Den Schaden hat das Brücke-Museum – und damit das Land Berlin. Kurzum: wir alle.

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