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Gast aus München: Alexander Liebreich.

© Thomas Rabsch

Rias Kammerchor singt Pascal Dusapin: Blicke auf das Mittelalter

Wie aus einem vorhersehbaren, den Dämmerschlaf stimulierenden Stück doch noch ein geistreiches Rätselspiel wird: Der Rias Kammerchor singt Werke von Pascal Dusapin und Maurice Duruflé.

Die Rollen in Pascal Dusapins neuem Chorwerk „Disputatio“ sind strikt verteilt: Im Block B des Kammermusiksaals stellen vier Chorsolistinnen die Fragen des wissbegierigen Schülers, der Chor antwortet vom Podium. Eine Frage nach der anderen wird mit Unterstützung des Münchener Kammerorchesters abgearbeitet, Glasharmonika und Donnerbleche liefern zusätzlich sphärische Klänge. Die Antworten aus dem 1200 Jahre alten Traktat des Meisters Alkuin können schon am Hof Karls des Großen niemanden verblüfft haben, und auch Pascal Dusapins schnell durchschaubare Harmonien laufen in genauer Übereinstimmung mit der Textvorlage vollkommen überraschungsfrei ab.

Streicherklänge umspülen demütig den Text, gelegentlich setzen Gongs und Glöckchen Akzente – aber gerade wenn der Dämmerschlaf übermächtig werden will, verschiebt Dusapin doch noch die Gewichte. Das eintönige Frage-Antwortspiel wird so subtil verschoben, dass man es fast nicht gemerkt hätte. Nun fallen sich beide Seiten ins Wort, Fragen überstürzen sich ungeduldig, die Rollen werden schließlich umgekehrt, aus der vorhersehbaren Wissensabfrage wird ein geistreiches Rätselspiel. Der von Denis Comtet einstudierte Rias Kammerchor singt die schwebenden Harmonien und vertrackten Rhythmen mit größter Perfektion, lässt zur Freude des anwesenden Komponisten die Linien weit ausschwingen und füllt den Saal auch in leisen Passagen mit schimmerndem Klang.

Einen ganz anderen Rückblick auf das Mittelalter bietet Maurice Duruflé in seinem Requiem, das auf gregorianischen Gesängen beruht. Nach dem Vorbild Gabriel Faurés hat er traditionellen Text der Totenmesse mit dem optimistischen „In paradisum“ aus den Exequien ergänzt. Die Mezzosopranistin Stella Doufexis und der Bariton Stephan Genz singen ihre Partien mit gekonnter Balance aus Dringlichkeit und Heilszuversicht.

Doch durch die weit ausholenden Dirigierbewegungen Alexander Liebreichs gerät dem Chor hier einiges zu laut, so dass die Balance mit dem routiniert spielenden Münchener Kammerorchester empfindlich gestört wird. Der aufdringliche elektrische Hammondorgelton sorgt immer wieder für Irritationen, insgesamt könnte das unprätentiöse Werk eindeutig mehr rhythmische Kontur vertragen. So aber versanden auch die markigen Akzente der Blechbläser, kann die Energie kaum zwischen den Gruppen fließen und die Komposition plätschert schließlich konturlos dahin, als wollte Liebreich eine direkte Traditionslinie von Duruflé zu Dusapin nachweisen.

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