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Kultur: Ritt auf Beduinen-Rhythmen

Das "Julian Argüelles Octet" ist eine Miniatur-Big-Band, die sich mit der Beweglichkeit einer Kleingruppe in originelle multistilistische Abenteuer stürzt.Jedes Stück endet anders als es beginnt.

Das "Julian Argüelles Octet" ist eine Miniatur-Big-Band, die sich mit der Beweglichkeit einer Kleingruppe in originelle multistilistische Abenteuer stürzt.Jedes Stück endet anders als es beginnt.Und so ist es immer wieder ein Genuß zu verfolgen, wie Argüelles in dichten, sich kreuzenden Linien ein Netz von Rock-Rhythmen über Bop-Linien wirft, wie er moll-gesättigte Choräle in spanische Fandango-Figuren auflöst oder Rubato-Balladen über das wogende Meer des freien Spiels in den Paradiesgarten der Minimal-Musik führt: Balance, Konzentration und technische Meisterschaft sind austariert im Geiste einer wahren "working band".Besonders auf dem Sopransaxophon frönt Argüelles einem begnadeten Solistentum.In gut auswattierten, weit schweifenden Legatobögen greift er auf die moderne Tradition seines Instruments zurück, verbindet John Surmans kantorale Sakralmelodik mit den dreckigen Frotzeleien David Liebmans und den kehligen mahgrebinischen Rufen Dewey Redmans.Der Nachweis, daß die Londoner Jazz-Szene derzeit zu den interessantesten in Europa gehört, gelang dem JazzFest mit dem "Julian Argüelles Octet" eindrucksvoll.Was man von Kenny Wheelers Vokal-Projekt "Mirrors" kaum behaupten kann.Der Kristallbläser mit dem schwebend-melancholischen Ton hat Gedichte von Lewis Carroll und Stevie Smith für ein Vokal-Quintett vertont und stochtert etwas steif im spätromantischen Nebel herum.Daß sich im Bereich der Vokalensembles seit dem Cocktail-Gesang der "Singers Unlimited" (die ihre Erfolge vor dreißig Jahre feierten) einiges entwickelt hat, scheint Wheeler entgangen zu sein.Ab und zu läßt er einige lyrische, melodische Tautropfen in Arpeggien aus den Höhen seines Flügelhorns hinab kullern.Alibi-Soli in ambitionierten, doch über weite Strecken trägen Kompositionen.Wieder einmal beim JazzFest zu Gast: die Concert Big Band von George Gruntz.Sie hat sich in den letzten vier Jahren, als sie im Haus der Kulturen der Welt gastierte, wenig weiterentwickelt.Bezeichnenderweise ist die erste Neuigkeit, die man von der Concert Jazz Band berichten kann, daß sie nun auch Standards (eine flotte, weich wattierte Version von "Footprints") spielt.Die Überwältigungs-Ästhetik der Big-Band funktioniert auf gewohnt flamboyantem Niveau.

Präzise Satzarbeit, knallige Riffs, effektvoll abgestufte Terrassendynamik, gute Soli.Routiniert und manchmal etwas zu kantig-präzisionsverliebt fegt sie durch einen Jazz-Shuffle, reitet auf einem nordafrikanischen Beduinen-Rhythmus und geht die Uraufführung der "Symphonie for Jazz-Ensemble" von Rolf Liebermann etwas verwegen-expressiv an.Gemeinsam mit dem Komponisten hat Gruntz eine reine Jazz-Version von Liebermanns "Concerto for Jazz Band and Symphony Orchestra" erarbeitet.Und bleibt doch weit hinter dem legendärem Original zurück.Zwar gewinnt Liebermanns Werk in dieser reinen Big-Band-Version hochwillkommene improvisatorische Freiräume.Doch das, was das "Concerto for Jazz Band and Symphony Orchestra" so spannend macht - das kreative Spannungsverhältnis zweier grundverschiedene Musikgattungen, die Polarität zwischen sinfonischem Klangkörper und Jazz-Band - wird eingeebnet.Selbstverliebt greifen die Solisten auf bekannte Jazz-Licks zurück, die herzlich wenig mit den 12-Ton-Strukturen zu tun haben, die so kunstvoll um sie herum aufgebaut werden.

GÜNTHER HUESMANN

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