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Austausch mit dem Meister. Robert Lepage und Matías Umpierrez in Quebec.

© Rolex/Bart Michiels

Robert Lepage und Matías Umpierrez: Das Erbe von morgen

Zwischen den Generationen: Der Regisseur Robert Lepage und sein Protegé Matías Umpierrez diskutieren beim Rolex Arts Weekend in Berlin über die Zukunft des Theaters.

Vier Riesenleinwände im Geviert in einem leeren Raum. Die Zuschauer inmitten einer filmisch-theatralen Konferenz mit Geistern und Monstern, die Abendgarderobe tragen: die Belegschaft einer Firma, führende Politiker einer unbekannten Stadt. Es geht in den monologischen Gesprächen um das Amt des Bürgermeisters, um Macht und viel Geld, um einen neuen Flughafen, den außer den gierigen Investoren niemand braucht.

Der aus Argentinien stammende Regisseur Matías Umpierrez hat dieses „Museo de la Ficción/1. Imperio“ mit spanischen Schauspielern in Madrid in Szene gesetzt, wo er lebt. Beim Rolex Arts Weekend war diese Arbeit jetzt in der Gemäldegalerie Berlin zu sehen. Die Textur stammt von Shakespeare, ein „Macbeth“ in heutiger Zeit (wenn diese Story von Aufstieg und Fall je gestrig war). Bilder von glühender Kälte, eine Fernsehsoap in exquisiter Museumsvitrinenästhetik – aus der eine Figur heraussticht. Es ist der kanadische Welttheatermann Robert Lepage. Er spielt Senor Macbeth, dessen Gattin nach der Macht in der Stadt greift und mordet; vertauschte Rollen. Die berühmte Wahnsinnsszene gehört dann dem Ehemann mit den blutigen Händen.

Das Theater wird nur als Ereignis überleben

Lepage ist ein virtuoser Regisseur und Performer. Zuletzt war er mit „The Dark Side of the Moon“ und der „Buskers Opera“ in Berlin, vor 15 Jahren. Der 60-Jährige hat den Kosmos des Theaters neu vermessen – von dem legendären Strindberg-„Traumspiel“ 1994 auf der winzigen Studiobühne des Dramaten in Stockholm bis nach Las Vegas, wo er 2004 für den Cirque du Soleil „Kà“ inszenierte, mit achtzig Akteuren in einem eigens dafür gebauten Theater für 2000 Zuschauer; die Show kostete alles in allem 220 Millionen Dollar. Ein Entertainer.

Das Theater, sagt er, überlebt nur, wenn es zum „Ereignis“ wird. Wenn es etwas sein kann, das nur in diesem Moment existiert: „Ein Film ist immer ein Geist von gestern. Das Theater hat eine andere Präsenz. Es ist ein Geist in der Gegenwart.“ Lepage ist der Mentor von Umpierrez, des eine Generation jüngeren Künstlers, der sich des Theaters bedient, um eine bestimmte Art von „Fiktion“ zu realisieren, wie in seinem „Museo“ mit „Macbeth“-Szenerien.

Umpierrez hat seine erste Kunst-Offenbarung mit einem Superman-Film

Die Rolle des Mentors hat Lepage offiziell übernommen, für ein Jahr. Das gehört zu der von Rolex finanzierten Partnerschaft. Andere Mentoren waren diesmal der Architekt David Chipperfield, der Komponist Philip Glass und der Choreograf Ohad Naharin von der Batsheva Dance Company. Das Programm – es existiert seit 15 Jahren – stellt sich als sehr prominent und komfortabel dar. Mentor und Protegé haben keinerlei Auflagen zu erfüllen; wie sie ihre Zusammenarbeit gestalten, steht ihnen frei. Bei Lepage und Umpierrez war der Austausch mit ausgedehnten Reisen verbunden. Der Jüngere hat den Meister auf Welttournee begleitet, und sie haben gemeinsam Aufführungen anderer Künstler besucht, von Katie Mitchell bis Robert Wilson.

Der Meister gibt seine Geheimnisse weiter? So läuft es nicht. Das Modell dieses exklusiven Künstler-Sponsorings funktioniert nur, wenn beide Seiten davon profitieren. „Es geht nicht allein um die Tradition, die weitergegeben wird. Es geht auch um das Erbe von morgen“, sagt Lepage, während Umpierrez sich über die 25 Jahre alte Homepage von Lepages Company „Ex machina“ amüsiert. Umpierrez hatte seine erste Kunst-Offenbarung als Fünfjähriger in einem Kino, mit einem Superman-Film. Er ist mit Fernsehshows und Spielkonsolen aufgewachsen, da war die analoge Welt schon im Schwinden.

Das Publikum verändert sich

Im Gespräch mit den beiden spürt man die Beschleunigung des Kunstbetriebs. Welttheater, so hieß es früher. Jetzt klingt schon das Wort global ein bisschen gebraucht und banal. In Quebec City baut Lepage ein eigenes Theater, Le Diamant. Umpierrez ist zu jung, um sich niederzulassen, und er hätte dafür auch nicht die Gravitation wie sein temporärer Meister. Seine Bühnen sucht er in Museen, Galerien, im virtuellen Raum. Lepage aber weiß: „Das Publikum verändert sich. Wir überschätzen oft seine Kultur und unterschätzen seine Intelligenz.“

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