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Erinnerung an den Sohn der Stadt. Ein Bild des Komponisten auf einem Konzertflügel im restaurierten Saal des Zwickauer Robert-Schumann-Hauses.

© ddp

Robert Schumann: Lied und Leid

Euphorische Höhen, wiederkehrende Tiefen. Ein Leben lang bewegte er sich in Extremen. Das musikalische Wunderkind: Zum 200. Geburtstag des Frühromantikers Robert Schumann.

Geboren wurde Robert Schumann in Zwickau als fünftes und letztes Kind einer Mutter, die bald darauf erkrankte, sodass der Dreijährige mehrere Male in Pflege zu einer befreundeten Familie kam. Die Veranlagung der Mutter Christiane, die als „leicht aufbrausend und heftig“ galt, wie ein Biograph es später formulierte, die Schwangerschaft mit Totgeburt, die vorausgegangen war, der Selbstmord der gemütskranken Schwester Emilie 1825, der Tod des Vaters August im Jahr danach, der lange schon körperlich leidend gewesen war, überdies unter depressiven Verstimmungen litt: Dies alles mag Robert Schumanns Kindheit und Jugend, seine seelische Disposition im selben Maße beeinflusst haben wie die guten Bedingungen, die ebenfalls von Geburt an für ihn galten, der enge Familienzusammenhalt oder die Förderung, die dem hübschen, hochbegabten Nachzügler zuteil wurde. Die Mutter sang, der Vater arbeitete als Schriftsteller, Buchhändler und Verleger, man hatte Sinn für die literarischen und musikalischen Ambitionen des Jüngsten. Selbst die Mitschüler wandten sich Robert liebevoll zu und verstrickten sich mit ihm zu Freundschaftsbünden; den späteren „Davidsbündlern“ oder dem Redaktionskreis um die „Neue (Leipziger) Zeitschrift für Musik“ ging in diesem Sinne der „Literarische Schülerverein“ voraus.

Schatten und Licht, auseinanderdriftende Erfahrungen und Extreme aber nicht nur hier, in den ersten sozialen Konstellationen. „Religiös ohne Religion“ nennt sich Schumann in einer jugendlichen Selbstbetrachtung. Ein Idealbild des musikalischen Frühromantikers, den Künsten bis zum Exzess hingegeben, widmet er sich gleichwohl der Gründung einer großen Familie und verfolgt das Aufwachsen seiner Kinder mit modern anmutender Aufmerksamkeit. Dem großen, mit Visionen getränkten Narzissmus des jungen Erwachsenenalters mit Phasen von „Musikraserei“ oder Rausch und „Knillität“, also totaler Trunkenheit, steht die buchhalterische Genügsamkeit, der bürgerlich-philisterhaft gewordene Lebensstil des reifen Mannes gegenüber.

Immerhin überlappen sich die Sphären. Tiefsinnig poetisch geben sich die Werke des Klavierjahrzehnts ab 1830, vom fast suchtartigen Phantasieren auf dem Instrument inspiriert, der Liebe zur Literatur oder dem Spiel mit verschlüsselten Inhalten. Filigran, unüberbietbar komplex auch die Kompositionen der rauschhaften Phase des Liederjahres 1840.

Und doch steht diesem Schaffen das Spätwerk, die Goethe-Vertonungen op. 98, auch die groß angelegten, operatisch-oratorischen „Szenen aus Goethes Faust“, die erst 1853 fertig wurden, an Komplexität nicht nach. Anders gepolt, von der Schumann-Forschung lange als kraftlos oder sogar maniriert diffamiert, tönt die Musik dieser späten Jahre schwerer, geheimnisvoller, transzendental eingefärbt, hervorgebracht von einer Persönlichkeit, die am Hin und Her ihres Lebens in eigentümlicher Weise gereift war.

Auch Detailliebe, Genauigkeit ist keine Tugend des Erwachsenenalters allein. So penibel, wie der Familienvater in seinen Tagebüchern vermerkt, wie viel er schafft oder auch nicht schafft, wen er zum Essen getroffen hat und welche Projekte er als Nächstes vorsieht, so genau gibt bereits der 28-Jährige über seine Leistungen Rechenschaft, als es um Vorwürfe geht, die der Lehrer und spätere Schwiegervater Friedrich Wieck äußert.

„Ich habe bis jetzt“, schreibt Robert bekümmert an Clara, „an die achtzig Druckbogen eigener Gedanken in die Zeitschrift geliefert, die anderen Arbeiten der Redaktion gar nicht mitgerechnet, habe nebenbei zehn große Kompositionen in zwei Jahren fertiggebracht – Herzblut ist dabei – dabei täglich mehrere Stunden strenge Studien in Bach und Beethoven, und viele eigene gemacht, – eine große Korrespondenz, die oft sehr schwierig und ausführlich, pünktlich besorgt – (...) und dieser Fleiß, diese Einfachheit, diese Leistungen finden keine Anerkennung bei Deinem Vater?“

Sogar wenn Schumanns langsames Verscheiden in der Endenicher Nervenheilanstalt tragisch überschattet scheint: Den Versuch der Selbsttötung durch einen Sprung in den Rhein hat er auf seltsame Weise als junger Mann vorgeträumt. Angstattacken und apathische Zustände häufen sich schon im Herbst 1833. Demgegenüber ist er auffallend sachlich, als er Jahrzehnte später nach Gehörshalluzinationen und bösen Phantasien selbst darum bittet, eingewiesen zu werden, aus Sorge darüber, dass er Clara gegenüber aggressiv werden könnte. Über zwei Jahre lang ist der Mittvierziger in Endenich dann ganz allein – und schreibt doch zunächst vernünftige Briefe, spielt Klavier und komponiert. Clara, die ihn wenige Tage vor seinem Tod ein letztes Mal sieht, führt zu Hause mit gepressten Blüten und Blättern ein „Blumenbuch für Robert in der Krankheit vom März 1854 bis July 1856“. Er wird es nicht mehr zu Gesicht bekommen.

Schwer muss es für Schumann gewesen sein, als Mann neben einer Hochberühmten zu leben. „Kränkungen, die kaum zu ertragen u. Klara’s Benehmen dabei“, notierte er auf einer Reise nach Russland, bei der er Clara begleitete und erfahren musste, wie stark Selbst- und Fremdbilder konkurrieren können, wie deutlich er hinter seiner Frau zurückzustehen hatte.

Clara nahm es mit Rück- und Vorsicht, anfangs sogar mit dem Wunsch, für die Familie zu sorgen und ihrem Mann ein „schönes Künstlerleben“ zu ermöglichen. Dass die Zeit, zumal die Fokussierung auf kompositionsgeschichtliche Fragen und das Schaffen toter weißer Männer, aus ihr die Frau an der Seite eines großen Komponisten machen würde, ließ sich höchstens ab Ende der 1840er Jahre erahnen, als Robert endlich internationale Bekanntheit erlangt hatte, Clara hingegen sich stärker in die Hausarbeit mit der gewachsenen Familie eingebunden sah. Selbst in dieser Hinsicht, selbst über den Tod hinaus hat sich in Robert Schumanns Leben das eine ins andere gekehrt.

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