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Kultur: Roll over Mozart

Eine

von Christiane Peitz

Es soll ja Leute geben, die züchten ihre Blumen mit Hilfe von Klassik. Schon Beethoven fördert das Wachstum, mit Mozart gedeihen sie prächtiger. Wir von der Kulturabteilung hören solche Nachrichten gerne, müssen wir uns doch immer wieder vorhalten lassen, dass es mit der Wirkungsmacht unserer Herzensangelegenheiten so eine Sache ist. Welche Folgen hat schon die Neueinspielung einer ScarlattiSonate – und sei sie noch so fulminant – im Vergleich zu Hartz IV oder dem neuen Luftsicherheitsgesetz? Also her mit den Feldstudien und Forschungsberichten. Die nachweislich betäubende Wirkung von Vivaldi bei akutem Zahnschmerz? Der erfolgreiche Einsatz von Barock in Notaufnahmen und Operationssälen? Alles Klassik, alles klasse. Hallo, Frau Schmi-hidt: ein Satz Klassik-CD’s spart teure Medikamente!

Auch Streetworker und Stadtreinigungen profitieren längst von den Nebenwirkungen unseres hehren Musikguts. Da aufmüpfige, herumstreunende oder sonstwie nicht als gesellschaftsfähig geltende Jugendliche bekanntlich andere Sounds bevorzugen, lassen sie sich mit ein bisschen Konzertkost prima aus Bahnhofshallen und Metrostationen verjagen. Dadadadaaaam – und Ruhe iss’: Wird im Hamburger Hauptbahnhof seit Jahren praktiziert!

Nun haben auch die Briten die sozialhygienische Eignung des musikalischen Kulturerbes entdeckt. So steht es im „Economist“. Auf Kids, die in Londons Kaufhäusern oder der Subway herumlungern, wirkt zweierlei garantiert abschreckend: alles, was Pavarotti singt, und alles, was wie Mozart klingt. Tolle Idee: ein Ranking der Worst-of-Bachmozartbeethoven. In den aktuellen Top Ten ist Kubricks Ludwig-van-Terror aus „Clockwork Orange“ jedenfalls passé. Jetzt schlägt Wolferl alle in die Flucht. Die Pflanzen werden ihre Hörgewohnheiten ändern müssen.

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