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Roman: "Rendezvous in Paris" von Vicky Baum als Neuausgabe: Das Einmaleins der Liebe

Wiederentdeckt: Vicki Baums Roman „Rendezvous in Paris“, als Neuausgabe zu ihrem 125. Geburtstag.

Man könnte die Heldin für eine Inkarnation der Neuen Sachlichkeit halten: so blass und mondän wie unnahbar. Den Aufruhr der Gefühle kennt sie nur aus den Leidenschaftstragödien, von denen sie in der Zeitung gelesen hat. Liebe, so denkt sie „mit einem kleinen, halb hochmütigen, halb verwunderten Lächeln“, sei bloß Einbildung, „nur eine Fiktion“.

Doch dann begegnet Evelyn, eine junge Mutter von 27 Jahren und leicht gelangweilte Ehefrau, bei einem Berliner Tennisturnier dem attraktiven amerikanischen Geschäftsmann Frank, und einen Moment lang hört für sie die Erde auf sich zu drehen. Ein „brutales und kaum beherrschbares Verlangen“ schlägt in ihr ein, eine schwindelerregende Affäre nimmt ihren Lauf. Evelyn bricht heimlich zu einem Rendezvous nach Paris auf und setzt damit ihre ganze bisherige Existenz aufs Spiel. Gut ausgehen, das ahnt der Leser, wird dieses Melodram nicht.

Vicki Baum hatte ihren Roman, dessen Handlung sich auf fünf Tage beschränkt, ursprünglich 1935 im Amsterdamer Querido-Verlag unter der Titel „Das große Einmaleins“ veröffentlicht. So als sei die Liebe bloß eine Rechenaufgabe, nach dem Motto eines Chansons, das Hildegard Knef später singen sollte: „Eins und eins, das macht zwei.“ Aber Gefühle gegen in der Addition und Subtraktion niemals glatt auf, es bleibt immer ein Rest an Eifersucht und Verletzung.

Geschildert wird diese Geschichte, die unausweichlich auf ihr verhängnisvolles Ende zusteuert, abwechselnd aus der Perspektive der drei Hauptprotagonisten, denen man direkt in die Seele zu schauen glaubt. Da entpuppt sich Frank, der mit Dumpingpreisen kalifornische Orangen auf den europäischen Markt drücken will, auch in Liebesdingen als routinierter Verkäufer, dem seine Amouren, diese „ewigen Geschichten“, innerlich längst „schauderhaft“ vorkommen. Ehemann Kurt, ein erfolgreicher Richter, der es zu einer Vierzimmerwohnung mit Haushälterin und Kindermädchen in der Düsseldorfer Straße gebracht hat, denkt mehr an die unbezahlte Gasrechnung als an seine Frau. Nur Evelyn, die Träumerin, glaubt beharrlich an „Hingabe, neue Geburt, Erfüllung“. Sie weiß, dass die Emotionen alle ihre Pläne hinwegblasen können, aber einmal noch möchte sie „den großen Sturm“ spüren.

Vicki Baum, die vor 125 Jahren, am 24. Januar 1888, in Wien geboren wurde, war im Berlin der Weimarer Republik zu einer Starautorin des Ullstein-Verlags aufgestiegen. Allerdings haftete an ihren Romanen lange ein Kitschverdacht. Über sich selber hat sie gespottet, sie sei „eine erstklassige Schriftstellerin zweiter Güte“. Baum war keine Avantgardistin, dabei wirkt ihre Prosa oft ungeheuer modern und elegant, etwa bei einer Stakkato-Beschreibung des Alexanderplatzes: „Hier schlug eines der vielen Herzen von Berlin, Licht, Lärm, Verkehr, Menschen, Gedränge, Gesichter, Stimmen, Hupen, Zeitungen, Reklame.“

Über solchen Sätzen schwebt die Melancholie des Abschieds, denn Baum hat „Rendezvous in Paris“ als ihren ersten Exil-Roman in Los Angeles geschrieben. Das Berlin der frühen dreißiger Jahre, das sie hier noch einmal beschwört, eine Metropole, in der Luxus und Armut hart aufeinandertreffen, gehörte da bereits der Vergangenheit an. Mit Amerika, wohin sie 1932 gezogen war, fremdelte sie. Dort sei es, heißt es einmal, wie in England, „nur mit mehr Dreck und Tankstellen“. Dass dieser psychologisch versierte Roman nun nach zwanzig Jahren wieder in einer deutschen Ausgabe erscheint, ist ein Grund zur Freude.

Vicki Baum: Rendezvous in Paris. Roman. Mit einem Nachwort von Nicole Nottelmann. Edition Ebersbach, Berlin 2012. 341 S., 22 €. – Am Sonntag, 27. Januar, liest die Schauspielerin Ingeborg Wunderlich bei einer Matinee zum 125. Geburtstag von Vicki Baum im Berliner Literaturhaus, Fasanenstr. 23, aus dem Roman, 11.30 Uhr.

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