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Dresdens Silhouette als Seelenlandschaft. Caspar David Friedrichs „Der Abendstern“, um 1830.

© David Hall/ARTOTHEK/Freies Deutsches Hochstift, Frankfurter Goethe-Museum

Romantik-Ausstellung in Dresden: Künstlers Gefühl ist Gesetz

Sie haben einander und ihre Nachwelt geprägt: Jetzt Dresden vereint Caspar David Friedrich und Johan Christian Dahl in einer großen Romantik-Schau.

Ein schlichtes Bürgerhaus am Ufer der Elbe, ein Schmied und ein Stellmacher haben ihre Namen an der Hauswand annonciert. Außerdem logieren dort: die zwei bedeutendsten Landschaftsmaler der Deutschen Romantik. Caspar David Friedrich (1774-1840) im zweiten Stock, Johan Christian Dahl (1788-1857) in der dritten und vierten Etage. Beide sind an der Dresdner Kunstakademie beschäftigt, unterrichten müssen sie aber in ihren eigenen Räumen. So wird das Haus an der Elbe 33 zum Zentrum der romantischen Landschaftsmalerei. Während an der Akademie nur Zeichenunterricht gegeben wird, bringen Dahl und Friedrich ihren Schülern bei, wie man die Kompositionsregeln der klassischen Malerei ignoriert – und malt, was man fühlt.

Wie sehr die beiden Freunde sich gegenseitig beeinflussten, zeigt eine Ausstellung im Dresdner Albertinum. Nie zuvor wurden so viele Bilder von Dahl und Friedrich zusammen gezeigt. Das Nationalmuseum Oslo besitzt die umfangreichste Dahl-Sammlung weltweit. Dresden wiederum beherbergt eine der größten Friedrich-Sammlungen. Dank der Kooperation der beiden Häuser und zahlreicher Leihgaben aus Greifswald, Winterthur und anderswo kommen in den blau getünchten Räumen des Albertinums 117 Landschaftsgemälde und Zeichnungen zusammen, großzügig gehängt. Der Besucher darf sich versenken, in Wolken, Hügeln, Bäumen und Felsen, in Mondlicht und Abendrot.

Hommage an die Freundschaft

Die Ausstellung beginnt mit einer Hommage an die Freundschaft. Das berühmte kleinformatige Gemälde „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“, in braunen Sepiatönen gehalten, zeigt einen schimmernden Sichelmond und darunter zwei Spaziergänger auf einem felsigen Waldweg. Der jüngere Mann, es könnte Dahl sein, stützt sich auf der Schulter des Älteren ab. Keck nach vorne geneigt, betrachtet er das Schauspiel des Mondes. Der andere steht in sich gekehrt und nimmt die Landschaft in sich auf. Friedrich schenkte das Bild seinem Freund im Jahr 1820. Dahl überreichte ihm im Gegenzug eine wildromantische Landschaft mit Wasserfall und umgestürzter Birke. Kontemplativ und melancholisch der eine, leidenschaftlich und realistisch der andere.

Die Hauptmeister der Dresdner Landschaftmalerei wurden oft als Antipoden beschrieben, die ruhigen, mystischen Landschaften Friedrichs gegen die realistische Sichtweise Dahls. Die Ausstellung widmet sich nun den Gemeinsamkeit der Künstler. Am Beginn stehen gezeichnete Studien von Birken und Eichen, die man später in beeindruckender Detailtreue in den Gemälden wiederfindet. Die Zeichnungen sind nicht nur selbst großartige Kunstwerke – sie machen den Arbeitsprozess der Freunde deutlich: Beide Maler bauten sich einen üppigen Bestand an Naturstudien auf, die sie später im Atelier in ihre Bildkompositionen übertrugen, oft fanden Motive erst viele Jahre später Verwendung. Während Friedrich sorgfältig und mit spitzem Bleistift die Struktur von Baumrinden und Felsblöcken aufs Zeichenpapier brachte, skizzierte Dahl mit zügigem, spontanem Strich, was er sah.

Dahl war es auch, der draußen, unterm Wolkenhimmel, Ölstudien anfertigte. Friedrich griff das auf. Das Gemälde „Abend“, eine bezaubernde Wolkenlandschaft in Lila und Orange, ist eine Momentaufnahme, locker gemalt wie bei Dahl. Dahl wiederum übernahm Friedrichs Idee der Rückenfigur. Der Mensch und seine subjektive Wahrnehmung waren für beide essentiell. Den Malern ging es, bei allem Interesse am Naturdetail, keineswegs darum, realistische Landschaften darzustellen. „Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht“, lautete ihre Devise.

Man versinkt in Wolken und im Abendrot

Ein wunderbares Gemälde von Friedrich mit betörend schönem Himmel zeigt die Klosterruine Eldena aus der Nähe von Greifswald und im Hintergrund das Riesengebirge. Den Remix von Bildinhalten gab es also schon zur Zeit der Deutschen Romantik. Und auch sonst gibt es einiges, was sie mit dem Lebensgefühl heute verbindet. Es war eine Zeit des Umbruchs, man sehnte sich nach Ganzheit, Verbundenheit, begann zu reisen, plädierte für die Freiheit der Religion. Beliebtes Motiv sowohl bei Dahl als auch Friedrich: alte Denkmäler und Hünengräber. In bewegten Zeiten strahlt das Historische etwas Beruhigendes aus.

Dahl und Friedrich haben beide in Kopenhagen studiert, wenngleich zu unterschiedlichen Zeiten. Die dortige Akademie genoss im 19. Jahrhundert den Ruf, die liberalste Ausbildung in Europa zu vermitteln. Friedrich zog 1798 nach Dresden. Der 30-jährige Dahl traf 1818 in der sächsischen Residenzstadt ein. Friedrich half dem Malerkollegen, eine Unterkunft zu finden und zeigte ihm die Stadt. Dahl lernte bald auch andere Geistesgrößen Dresdens kennen, fühlte sich aber wegen seiner fehlenden Sprachkenntnisse zunächst unsicher. Er schreibt: „Ich war in letzter Zeit zumeist mir selbst überlassen, und hatte nur ab und zu einen Besuch vom Landschaftsmaler Friedrich.“ Die Maler unternehmen gemeinsame Spaziergänge in der Umgebung und teilen ihre Ablehnung des konservativen Akademiebetriebs. „Man nutzt nur die Alten Meister als Maßstab und lässt sein eigenes Gefühl in keinster Weise wirken“, schreibt Dahl an einen Freund.

Schön und konsequent sind der Anfang und das Ende der Ausstellung gesetzt: Der Prolog führt mit herrlichen Bildern in das Naturverständnis von Dahl und Friedrich ein, am Ende tragen die Kuratoren dem Einfluss der beiden Lehrer auf die jüngere Dresdner Künstlergeneration Rechnung und zeigen Landschaftsbilder von Schülern wie Carl Gustav Carus oder Ernst Ferdinand Oehme.

Hinter den Kulissen herrscht bei den staatlichen Kunstsammlungen Dresden indes eine andere Form von Bewegtheit. Bernhard Maaz, bisher Direktor des Kupferstichkabinetts und der Gemäldegalerie, wird neuer Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Für ihn muss ein Nachfolger gefunden werden, der imstande ist, künftig ebenso attraktive Ausstellungen in die sächsische Hauptstadt zu holen.

Albertinum Dresden, bis 3. Mai 2015. Zur Ausstellung ist ein Katalog im Sandstein-Verlag erschienen, 39,90 €.

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