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Kultur: Rot und Weiß

Margarethe von Trottas „Ich bin die Andere“

Ein rotes Kleid. Eine sexy Spitzenbordüre – Schnitt – und eine Frau liegt in der Badewanne. Nein, keine Leiche, nur eine Frau (Katja Riemann), die mit ihrem Vater telefoniert. Es ist eins dieser Familienpsychoterror-Gespräche.

Katja Riemann ist viele Frauen. Die Edel-Prostituierte Carlotta. Die toughe Anwältin Carolin, der der junge Ingenieur Fabry (August Diehl) nach irritierend-erregender Hotelnacht am nächsten Morgen unvermutet beruflich wiederbegegnet. Und eine andere Carolin, das Mädchen in Weiß: die verstörte Tochter jenes Telefon-Tyrannen (Armin MuellerStahl), der im Rollstuhl auf dem Winzergut im Rheingau alle drangsaliert: Tochter, Ehefrau (Karin Dor), Verwalter (Dieter Laser), Hausdame (Barbara Auer).

Lauter geschundene Seelen in diesem erotischen Thriller, angereichert um das romantische Doppelgänger-Motiv und ein Freud’sches Frauentrauma. Das Buch stammt von Pea Fröhlich und FassbinderAutor Peter Märtesheimer, der die großen Fassbinder-Frauen Maria Braun, Lola und Veronika Voss miterfunden hat. Kurz vor dem Dreh starb der Autor; Margarethe von Trotta hat ihm „Ich bin die Andere“ gewidmet. Alle Trotta-Heldinnen – von „Die bleierne Zeit“ über „Rosa Luxemburg“ bis zur „Rosenstraße“ – sind Doppelgängerinnen, zerrissen zwischen privater Sehnsucht und politischer Tatkraft.

Diesmal also die deformierte Weiblichkeit, die Politik der Geschlechter. Man scheut ein wenig davor zurück, es zu sagen, weil der deutsche Film ohne Trottas Frauenbilder ärmer wäre: Ihr Psychodram ist eine Enttäuschung. Wegen der Behauptungen: Fabrys Obsession – er will Carlotta/Carolin retten, ja erlösen – wird nicht begründet. Riemanns Verführungsakt: eine Peinlichkeit. Die Milieus – der Yuppie mit Villa am Starnberger See, die Bourgeoisie im Rheingau und schließlich Casablanca als folkloristischer Fluchtpunkt, an dem die Liebenden nur knapp einem Bombenanschlag entkommen: purer Oberflächenreiz. Und bei der diffizilen Frage, wieso die Heldin unbedingt männerhörig ist, behilft sich die Regisseurin mit simplen Rückblenden aufs Kindheitstrauma. Ausgerechnet von Trotta.

Ein guter Thriller lebt von der Andeutung, von Zeichen und Spuren, die in den Bildern ausgelegt sind. Trottas Bilder leiden an Geschwätzigkeit. Das schlimme Ende kommt genau so, wie man es schon am Anfang mehr als nur ahnte.

Broadway, Capitol, Cinemaxx Potsdamer Platz, Kulturbrauerei, Kant, Passage

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