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Kultur: Rote Backen

Ein Nachtgestalten-Konzert mit Elisabeth Leonskaja

Die Tür schlägt zu, ein paar wild-energische Schritte, ein herausfordernder Blick, der die Spuren des Leidens nicht verbirgt. Der Mann heißt Manfred und natürlich ist er nur eine Vision: die erste von drei Nachtgestalten, die der Dirigent Stéphane Denève, die Pianistin Elisabeth Leonskaja und das Deutsche Symphonie-Orchester so eindringlich wie plastisch in der Philharmonie vorstellen. Nicht weniger komplex als der Held in Schumanns Ouvertüre ist die Gestalt des Wanderers in Schuberts gleichnamiger Fantasie, an diesem Abend in Liszts Bearbeitung für Klavier und Orchester. Nach den Paukentönen, die sich gleich in die ersten Takte mischen, mag man noch geneigt sein, das Stück für ein Kuriosum zu halten, bei dem die Kunst der Leonskaja, die es ja auch in der Solofassung spielen könnte, eigentlich verschwendet ist.

Um so schöner, wie sich unter Denèves aufmerksamer Vermittlung ein intensiver Dialog zwischen orchestralem und kammermusikalischem Denken entwickelt. Wie einig man sich ist, Schuberts Wanderer nicht als verquälten Intellektuellen zu schildern, sondern ihn mit rotbackiger Frische in die düstere Welt zu schicken. Wie feinsinnig Leonskaja die Soli von Cello und Horn umwebt und wie engagiert das Orchester es ihr nachtut, als sich die Rollen vertauschen. Und Leonskajas Zugabe, Schuberts Ges-Dur-Impromptu? Ein Triumph des Gesangs über die Taste. Berlioz’ Symphonie fantastique? Denève macht sie zu einem Fest der Orchesterfarben, leisester und lautester Spannungen, der elektrisierten Energie. Großer Jubel! (Dass RBB-Kulturradio sendet das Konzert am 23. Januar, 20 Uhr) Carsten Niemann

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