zum Hauptinhalt

Kultur: Rotes Zimmer, schwarzer Mond

Der polnische Skandalkünstler Piotr Uklanski eröffnet die renovierte Kunsthalle Basel

Dass Aufmerksamkeit eine Frage der öffentlichkeitswirksamen Inszenierung ist, hat die Kunstwelt in den vergangenen Jahren fabelhaft vorexerziert. Künstler, Kritiker und Kuratoren scheinen diese Logik ebenso verinnerlicht zu haben wie Mäzene, Messen und Museen. Jedes Jahr im Juni richtet diese Kunstwelt ihren Blick in fast schon behavioristischer Manier nach Basel. Wer in der dortigen „Art“ bloß eine Kunstmesse sehen will, hat den heiteren Ernst der Lage nicht erkannt. Und wer die von ihr perfekt inszenierte Aufmerksamkeit nicht zu nutzen weiß, ist selbst schuld. Ästhetik ist bezahlbar, der Markt ist politisch, Politik nur eine Sache des Auftritts.

Ganz gleich, ob man dahinter eine affirmative Strategie oder das Potenzial für eine kritische Auseinandersetzung mit solchen Oberflächenphänomenen erkennen will – die während der Messe eröffnete Schau von Piotr Uklanski in der Kunsthalle Basel wirkt wie ein unfreiwilliger Reflex darauf. Es ist die mit Spannung erwartete Eröffnungsausstellung der Kunsthalle nach einjähriger Renovierung. Und es ist die erste große Präsentation unter der künstlerischen Leitung des jungen Direktors Adam Szymczyk. Nicht zuletzt ist es die Ausstellung eines Künstlers, der sich auf Oberflächenphänomene versteht.

Auf die „sanfte“ Renovierung des Hauses durch die Architekten Miller & Maranta reagiert Piotr Uklanski mit ebenso leichten wie bruchlosen Atmosphären. Gleich im ersten Saal betritt man ein „Antechambre rouge“, dessen rot getünchte Wände den Besucher einstimmen. Der Farbdruck „Schwarzer Mond“ findet im Nebenraum seine Entsprechung in der Fotografie einer pinkfarbenen „Sonne“, wunderbar ergänzt durch jene Bilder, in denen der Künstler Holz- und Wachstiftspäne hinter Plexiglasplatten arrangiert. Das unscharfe Motiv eines Blumenbeetes sucht formal Halt zwischen großformatigen Papiercollagen, deren sinnstiftende Ähnlichkeit mit den benachbarten Landschaftsfotografien fast zu offensichtlich erscheint.

Zwischendrin bindet Uklanski die Ausstellung an sich, oder genauer: an eine Auswahl stilisierter Selbstporträts, die sich im Lichtschein einzelner Strahler auf grauer Wand behaupten. Den größten Saal des Erdgeschosses hingegen lässt der Künstler leer – bis auf zwei mannshohe Holzscheiben, in denen sich übereck ein stilisiertes Augenpaar kreuzt. Die Titel der Arbeiten geben nicht mehr preis als das, was darin ohnehin zu sehen ist. Was aber weit schwerer wiegt: Die Art und Weise, wie sie eine Ausstellung formen, gibt kaum Aufschluss über die Beweggründe, die den Künstler oder Direktor geleitet haben könnten. So wird man den Eindruck nicht los, als fehlte der Inszenierung ein verbindender Überbau; Langeweile macht sich breit.

Vor allem im Obergeschoss der Kunsthalle hat es sich Piotr Uklanski zu leicht gemacht. Die Stroboskopblitze im abgedunkelten Oberlichtsaal treffen den Betrachter nicht wirklich, sie wirken kraftlos und verpuffen vollends in den beiden anschließenden Kabinetten. Uklanskis „Riders in the Sky“, so der Titel der Arbeit, scheint stellvertretend für die gesamte Ausstellung auf halber Strecke der Treibstoff ausgegangen zu sein. Unverhofft und auch ein wenig unvorbereitet. Unvorbereitet, weil die Inszenierung vielleicht auch unter dem Zeitdruck ihrer eigenen Eröffnung leidet. Unverhofft, weil der polnische Künstler, der mit der Performance „The Full Burn“ und der fotografischen Serie „The Nazis“ Ende der Neunzigerjahre einige Kontroversen ausgelöst hatte, nun in Basel denkbar handzahm agiert.

Die Inszenierung kommt an, die Aufmerksamkeit ist da. Ob sie dem Künstler oder der neu renovierten Kunsthalle gilt, ist allerdings fraglich. Die Kunsthalle Basel jedenfalls wird langfristig mehr Treibstoff brauchen. Und wenn man ganz genau hinschaut, ist er ja da: Aus einem kleinen Loch im Erdgeschoss, das Uklanski mit einem harmlosen Graffiti eingefasst hat, strömt ein zarter Lufthauch. Er gibt Hoffnung für die kommenden Ausstellungen.

Kunsthalle Basel, bis 22. August. Künstlerbuch (Verlag Hatje Cantz) 39 Euro.

Ralf Christofori

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false