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Kultur: Rotwein

Der Schalk in Person blitzt hinter dem Akkordeon hervor. Im intimen Tiergartener Bellevue hat Corinne Douarre leichtes Spiel, ihre Wahlmitbürger zu bezaubern.

Der Schalk in Person blitzt hinter dem Akkordeon hervor. Im intimen Tiergartener Bellevue hat Corinne Douarre leichtes Spiel, ihre Wahlmitbürger zu bezaubern. Kongenial zur Atmosphäre des kleinen Theaters, einer Mischung aus Untertreppenladen und Wohnzimmer, paßt die träumerische Reise auf der "Rue Bleue" (noch heute, 20.30 Uhr), zu der sie ihr Publikum verführt. Dort gibt es ganz normale Märchen-Menschen wie den Verrückten in der Berliner U-Bahn, der die stoischen Großstadtpassagiere zum Lachen und aus der Ruhe bringt, den schlauen Wind, der nur böse Menschen ärgert, Nachtschwärmer, die wie Nachtfalter aussehen, und Paare, denen auch nach Jahren der Gewöhnung die Zärtlichkeit bleibt. Aus eigenen und fremden Chansons, Dias, Zeichnungen und witzigen Zwischenerklärungen auf Deutsch hat Douarre ein Programm geknüpft, das die Vielfalt und klassische Einfachheit des französischen Chansons zeigt. Meilenweit entfernt von Brecht und Weill oder dem Berliner Kabarett der Zwanziger, wirkt Douarres Sopran überraschend zart und klar, schön, stark und romantisch und kein bißchen rauh. Zwar gerät die junge Französin, die schon seit drei Jahren in Berlin lebt, mit Songs wie "Chat a Rallonge" ins Pathos kitschiger Melancholie-Stückchen à la Reinhard Mey. Doch die schlichte Eleganz ihrer Sprache und die gradlinige poetische Struktur ihrer Lieder bügelt die Kitsch-Ausreißer wieder aus. Mit unüberbietbar sparsamen Gesten führt sie die unsägliche Langeweile eines Snobs vor. Eine Kopfbewegung, und der Zuschauer sieht eine verwöhnte Diva sich in seidenen Laken räkeln. Mehr Clown als Vamp, besticht Corinne Douarre durch ihren kecken Humor und eine musikalisch souveräne Schnörkellosigkeit.

SONJA BONIN

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