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Roy Lichtenstein: Eine Kopie ist eine Kopie

Immer größer: Köln zeigt das Spätwerk von Roy Lichtenstein. Einflüsse lassen sich in der Ausstellung nur schwer nachvollziehen.

Wer in den sechziger Jahren den Namen Roy Lichtenstein aussprach, meinte seine blonden Comic-Vamps, die, eingetaucht in riesige Sprechblasen, ihren Verflossenen nachtrauern, den Bomberpiloten, die gejagt von „Whamm!!“-Schriftzügen den Himmel unsicher machen. Nicht zu vergessen die Mickey-Mouse-Gemälde, intellektuelles Fastfood, dem der New Yorker Künstler den Weg in die Museen wies. Während sein Kombattant Andy Warhol mit den „Desaster“-Serien eine bizarre Vorliebe für Unfälle aller Art pflegte, gab sich Lichtenstein weniger morbide.

Der 1997 gestorbene Protagonist der amerikanischen Pop-Art wollte kein Neuland erobern. Seine Waffe war die Ironie im Umgang mit den allgegenwärtigen Massenmedien. Die für ihn typischen schwarzen Konturlinien, Rasterpunkte und Pinselstriche tauchen 1961 zum ersten Mal auf. Die berühmte Serie der „Brushstrokes“ war eine Revolte gegen die herrschende Stilrichtung des abstrakten Expressionismus. Die nahm sich selbst so ernst, dass ihr nur mit parodistischem Furor beizukommen war.

Im Kölner Museum Ludwig, wo die größte Pop-Art-Sammlung außerhalb der Vereinigten Staaten zu Hause ist, geht es um Comicstrips nur am Rande. Unter dem Titel „Kunst als Motiv“ richtet sich der Fokus auf moderne Klassiker, die der gewitzte Arrangeur für seine großformatigen Arbeiten adaptierte. Rund 100 Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen sind in der aus Mailand kommenden, für Köln überarbeiteten Retrospektive zu sehen. Darunter auch der frühe Lichtenstein, der vergeblich an seine Zeitgenossen vom Schlage eines de Kooning anzuschließen versuchte. Der radikale Bruch wurde von einem wachsenden Gespür für die Vermischung von hoher und Populärkunst eingeläutet. Seine Übergriffe auf Stilrichtungen wie Futurismus, Surrealismus, Bauhaus und Art déco leben von der Vereinfachung, der Kannibalisierung des bekannten Fragments unter seiner unverkennbaren Handschrift.

Monets „Kathedrale von Rouen“ variiert er, indem er die Punkte der Rastermalerei mit Sternchen ersetzt und dem Motiv damit eine amerikanische Note verleiht. Seine Comic-Frauen vergießen Tränen von Man Ray, ein Golfball mutiert unversehens zu einer Hommage an Mondrian. Picassos „Algerierin“, die der Übervater selbst bei Delacroix geklaut hatte, erhält in der Lichtenstein-Version einen farblich elementaren Anstrich. Selbst der Laokoon wird im Spätwerk nicht verschont und, wegen der nach mehr als dreißig Jahren ausgereizten Masche, auf drei Metern lustlos und ganz ohne Raster kopiert. Seltsamerweise stehen diese späten Selbstplagiate des Publikumslieblings, darunter der neueste Einkauf „Tall Mountains“ von 1996, am Anfang der Schau. Wer die erste Ernüchterung hinter sich lässt, darf sich im Finale an der glorreichen Zeit des gefeierten Pop-Klassikers erfreuen. Dazwischen finden sich Paraphrasen von Magritte, Dalí, Matisse, Léger, Cézanne und anderer Heroen der Moderne. Im Katalog lassen sich die Einflüsse bis ins Detail nachvollziehen. In der Ausstellung sucht man die Hinweise leider vergeblich.

Ein Höhepunkt sind dagegen die Vitrinen, in denen sich Arbeitsbücher finden, die an das Bilderalbum eines pubertierenden Verehrers erinnern. Akribisch gesammelt und penibel aufgeklebt, sind es die Werbeschnitzel, Illustrationen und Kunstreproduktionen, die Lichtenstein als Vorlage für die ersten Skizzen dienten. Sie geben eine Ahnung davon, wie ketzerisch seine Strategie einmal war, diese Zeichnungen zu vergrößern und mit einem Projektor auf die Leinwand zu werfen, um sie dort ihrer „industriellen Bearbeitung“ zu unterziehen. Ein Eingriff, der nach der manisch durchexerzierten, homöopathischen Verdünnung der Motive längst keine Wirkung mehr zeigt. Das gilt leider auch für die Ausstellung.

Museum Ludwig Köln, bis 3. Oktober. Katalog (DuMont Verlag) im Museum 35, im Buchhandel 49,95 €.

Alexandra Wach

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