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Kultur: Rückblick: Avantgarde: Himmelsklang

Szene-Berlin wirkt zuweilen wie ein Freilichtmuseum, in dessen Nischen andernorts längst ausgestorbene Stile von selbsternannten Konservatoren liebevoll gepflegt werden. Zum Beispiel Industrial Music: Anfang der achtziger Jahre begannen die Berliner Lokalhelden der "Einstürzenden Neubauten" um Blixa Bargeld, noch ganz im Punk-Gestus mit Kreissägen und Kanalrohren Klänge zu erzeugen.

Szene-Berlin wirkt zuweilen wie ein Freilichtmuseum, in dessen Nischen andernorts längst ausgestorbene Stile von selbsternannten Konservatoren liebevoll gepflegt werden. Zum Beispiel Industrial Music: Anfang der achtziger Jahre begannen die Berliner Lokalhelden der "Einstürzenden Neubauten" um Blixa Bargeld, noch ganz im Punk-Gestus mit Kreissägen und Kanalrohren Klänge zu erzeugen. Die Neubauten produzierten Krach, aber es war poetischer Krach. Avantgardisten weltweit taten es ihnen gleich. Doch die Bewegung war kurzlebig, die Schrottplatz-Sounds galten für den kommerziellen Erfolg als zu sperrig. Nur in der Hauptstadt müht sich noch ein kleiner Zirkel von Metallomanen damit ab, Maschinen und Baumaterialien Geräusche abzuringen. Zu ihnen gehört Bob Rutman. Der mittlerweile 70-jährige Maler, Bildhauer und Musiker betrachtet als seine Großtat die Erfindung des Stahl-Cellos: Er streicht mit dem Bogen über eine Saite, die über ein mannshohes Blech gespannt ist. Hört sich ähnlich an wie eine singende Säge, nur lauter und rauher. Rutman hat auch "Bow Chimes" konstruiert: Ensembles von Eisenstäben, für die ebenfalls ein Blech den Resonanzkörper abgibt. Die monströsen Instrumente präsentiert er in sporadischen Abständen mit seinem "Steel Cello Orchestra" aus Musikern des Neubauten-Umfelds. Ihr jüngster Auftritt im b-flat machte erneut Glanz und Elend derartiger Experimente im Geist des Bruitismus deutlich. Rutman und seine Mitstreiter entlocken ihren hochglanzpolierten Ungetümen oft erstaunliche Tonfolgen. Klangfarben irgendwo zwischen Didgeridoo und startenden Flugzeugmotoren füllen den Raum. Damit aus diesem melodiösen Lärm aber interessante Kompositionen hervorgehen könnten, müsste das Spiel stärker strukturiert werden. Ihm fehlen Motive und Entwicklung. Untermalt durch Rutmans kehliges Geröhre und unverständliches Gemurmel von Ben Becker als Gaststar, bleibt so nur der Eindruck eines kaum modulierten Dröhnens zurück.

Oliver Heilwagen

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