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Kultur: Rückblick: Folklore: Im Plan

Die Deluxe-Version eines Multikulti-Kiezfests hätte sie werden sollen, die lange Russische Nachtim Haus der Berliner Festspiele zum Auftakt der Ausstellung "Dawaj". Mit Hochkultur und kulinarischen Köstlichkeiten statt Folkloregruppen und Gulaschkanonen.

Die Deluxe-Version eines Multikulti-Kiezfests hätte sie werden sollen, die lange Russische Nachtim Haus der Berliner Festspiele zum Auftakt der Ausstellung "Dawaj". Mit Hochkultur und kulinarischen Köstlichkeiten statt Folkloregruppen und Gulaschkanonen. "Tussovka", wie der Abend betitelt wurde, heißt soviel wie Szene oder In-Group. Geboten wurden den happy few allerdings kein Einblick in die russische Kultur, sondern in russische Lebensart. Und die besteht vor allem aus Schlange stehen, Däumchen drehen, Schwatzen und Zeit totschlagen. Dazu hatten die Gäste reichlich Gelegenheit, denn es gab wenig zu erleben. Die vollmundig angekündigte Expertendiskussion über die Zukunft der russischen Literatur entpuppte sich als Slam-Poetry-Schlagabtausch, bei dem Lokalgrößen von Bert Papenfuss bis Katja Lange-Müller Sinkgut aus der Schreibtischschublade vortrugen. Russische Jungautoren beschränkten sich darauf, Witze über schwule Astronauten oder Politbüro-Sitzungen vor 40 Jahren zu reißen. Aufschlussreich auch das Konzert der hochgelobten Petersburger Band "Ein Messer für Frau Müller": Kaugummikauend, wort- und regungslos schrubbte das Duo seinen Easy-Listening-Set herunter. So hochmotiviert pflegen Unterhaltungskapellen in Moskauer Devisenhotels ihrer Arbeit nachzugehen. Allen Auftretenden gelang es formvollendet, den Besuchern eine Grundwahrheit der slawischen Seele nahe zu bringen: Was zählt, ist Planerfüllung.

Oliver Heilwagen

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