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Kultur: Rückblick: Kunst: Gerettet

Weltspitze zu sein, war für die DDR ein vielgestaltiger Traum. Es gelang ihr in der Eisbärendressur besser als beispielsweise in der Speiseeisproduktion.

Weltspitze zu sein, war für die DDR ein vielgestaltiger Traum. Es gelang ihr in der Eisbärendressur besser als beispielsweise in der Speiseeisproduktion. Ein Kältetechniker und eine Artistin, ein Funktionär und die Schriftstellerin Brigitte Reimann sind die Protagonisten der Ausstellung "Das Kollektiv bin ich - Utopie und Alltag in der DDR", die im Willy-Brandt-Haus (Stresemannstr. 28, bis 19. Oktober, Di-So 12-16 Uhr) von den Überschneidungen und Widersprüchen zwischen offiziellen und individuellen Utopien erzählt. Sie kommt aus dem Dokumentationszentrum der Alltagskultur der DDR in Eisenhüttenstadt. Dort hat man frühzeitig erkannt, dass zum Verständnis der Geschichte Schülerzeichnungen zum Thema "Unsere zukünftige Stadt dient dem Menschen" und Mondfahrzeuge aus dem Kinderzimmer mehr beitragen können als dokumentierte Parteitage. Aus einer Kosmonautenausstellung von 1971 wurden acht dicke Tuben Fertignahrung mit Pralinen- und Sauerampfergeschmack gerettet und ein Amateurfilm des Jugendfilmstudio Wismut. Wie ein Kinderspiel wurde das Vertrauen in den Fortschritt inszeniert. Wahrscheinlich war der Glaube an die technische Lösbarkeit umfassender Probleme wie Welternährung nie ungebrochen: Aber gerade die Enge des eigenen Staates versah den Ansatz, für die ganze Welt zu denken, mit großer Attraktivität. Fünf Biographien werden ausgebreitet: Darunter die des schwulen FDJ-Funktionär Frank. "Die Deutungsmacht ihrer eigenen Geschichte gegenüber wird den Bürgern der ehemaligen DDR noch immer abgesprochen", hielt die Bundesministerin für Familie, Christine Bergmann, in ihrer Eröffnungsrede fest. Dagegen pocht die Ausstellung auf dem Recht der persönlichen Erinnerung. Wer ihr zuhören will, wird mit Vertrauen belohnt.

Katrin Bettina Müller

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