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Kultur: Rückblick: Performance: Eurydike

Tote essen keine Kirschen. Auch keine asiatischen Nudelsnacks.

Tote essen keine Kirschen. Auch keine asiatischen Nudelsnacks. Deshalb zieht die blass geschminkte Frau im elastischen Körperanzug, der wie eine zweite, eine neue Haut an ihr zu kleben scheint, die Teigfäden heimlich gleich wieder aus dem Mund. Sie ist eigentlich längst tot und doch wieder da: eine fleischgewordene Kopie der männlichen Erinnerung. Ihr Geliebter, der auf einem schlichten Holzhocker im zeitlos-multifunktionalen Ikea-Design sitzt, merkt nichts, schlürft gierig weiter an der Nudelsuppe und reicht ihr erneut den kleinen beigefarbenen Termo-Kübel. Wir sind Zeugen einer sonderbaren Begegnung an einem Ort, in dem Zukunft und Vergangenheit zu einer seltsamen traumbildhaften Gegenwart verschmelzen. Penelope Wehrli gastiert mit ihrer Theaterinstallation "Operation Solaris" dieser Tage in den Räumen der ehemaligen DDR-Staatsbank, um die Zuschauer in ihre wundersame Zwischenwelt aus Realität, Erinnerung und Fantasie zu entführen (wieder heute und morgen um 20 Uhr). Eingebettet in einen athmosphärischen Klangteppich (Komposition: Hans Peter Kuhn) begeht man langsam, fast schwerelos, ein geschlossenes Universum, einen Traumraum, der in drei Loops die Rahmenhandlung von Stanislav Lems Roman "Solaris" rekonstruiert: Der Wissenschaftler Kevin (Jo Kappl) bezieht seinen Posten auf einer verlassen geglaubten Weltraumstation und begegnet dort seiner verstorbenen Frau (Andrea Hovenbitzer). Zunächst versucht er sich zu wehren gegen die Erscheinung, will sie loswerden. Doch langsam gewöhnt er sich an ihre Anwesenheit, verliert sich in der Liebe zum Unmöglichen und damit schließlich erneut seine Geliebte. Immer wieder umkreisen die Zuschauer neugierig die Raumkapsel, suchen neue Positionen, um verschiedene Facetten des Spiels einzusehen. Der spannendste Moment ist schließlich wie in jedem Traum das Erwachen - der Versuch, das soeben Erfahrene und Gesehene in bleibenden Erinnerungen und Gefühlen sich im Gehirn festsetzen zu lassen.

Pamela Jahn

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