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Kultur: Rückblick: Varieté: Entenflug: "Hundert Prozent"

"In die Wanne möchte ich auch!", bricht es glucksend aus einer Frau hervor, die vor Verzückung nicht mehr an sich halten kann.

"In die Wanne möchte ich auch!", bricht es glucksend aus einer Frau hervor, die vor Verzückung nicht mehr an sich halten kann. Wieder und wieder fliegt der muskulöse Männerkörper, der sich artistisch in Seilen dreht und windet, über eine Badewanne hinweg, taucht ein ums andere Mal kokett hinein und kommt diesmal, tropfnaß und prustend, mit einer Gummi-Ente auf der Brust wieder empor. Spätestens mit dieser Strapazen-Nummer, die ironisch mit den Männer-Bildern der Dusch-Gel-Werbung spielt, hat das Varieté-Ensemble des Chamäleon sein Publikum restlos erobert. "Hundert Prozent" heißt die neue Show, die in einer Artisten-Schule spielt, wo sich die jungen Eleven am klassischen Stil ihrer Lehrmeister abarbeiten müssen. Ein lockerer Handlungsrahmen, der Raum bietet für alles, was man von einem Varieté erwarten darf: gefühlvolle Gesangsnummern, klassisches Ballett und jazziger Stepptanz, eine Jonglage, die mit wirbelnden Keulen die Filmmusik von Quentin Tarantino interpretiert, Clowns, die ihre Derbheiten mit unvermuteter Raffinesse präsentieren und schließlich Handstand-Zwillinge, deren Break-Dance-Akrobatik zweifeln lässt, ob in der AOK-Rückenschule die Wahrheit über die menschliche Wirbelsäule verbreitet wird. Das bekannte Varieté-Repertoire wird diesmal mit der Ästhetik von Werbe-Clips und Musik-Videos kurzgeschlossen. So bekommt die Inszenierung ihren Pfiff: Kostüme und Bühne sind nicht mehr glatt und glänzend, sondern trashig und schmuddelig, dazu obszöne Gesten und schräge Sprüche. Unterhaltung und Zerstreuung: Variatio delectat.

Gerwin Klinger

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