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Kultur: Rückblick: Vortrag: Gift

Wenn eine Frau sagt "Ich liebe Leichen!" und zwei Jahre lang in einer Apotheke Pillen und Säfte zubereitet, kann es schon mal Tote geben.

Wenn eine Frau sagt "Ich liebe Leichen!" und zwei Jahre lang in einer Apotheke Pillen und Säfte zubereitet, kann es schon mal Tote geben. So vergiftete Agatha Christie im Laufe ihres Lebens 41 Menschen - glücklicherweise nur auf dem Papier. Das aber so kenntnisreich, dass der Rechtsmediziner Volkmar Schneider und der Toxikologe Benno Rießelmann bei einem Vortrag über ihre Giftmorde im Kulturforum die Krimis zur Pflichtlektüre für angehende Mediziner erklärten. In "Nikotin" beispielsweise beschreibt die ehemalige Apothekerin sehr genau, wie Mr. Babbington nach Genuss eines Cocktails zu husten beginnt, in den Raum schwankt und nach zwei Minuten tot zusammenbricht. Was der Laie schon auf Grund des Titels ahnte: Die Lehrbuchsymptome bei Nikotinvergiftung sind Brennen in Mund und Rachen, Krämpfe, Atemstillstand. Durch ihre präzise Beschreibung konnten Christies Morde aber auch schon Leben retten: Als in einem englischen Krankenhaus ein kleines Mädchen mit nicht enden wollender Erkältung eingeliefert wurde, erinnerte sich eine Krankenschwester an die Beschreibungen aus dem "fahlen Pferd". Tatsächlich stellte man eine Thalliumvergiftung fest, deren Symptome auch im Roman mit einer Grippe verwechselt wurden - die Patientin war gerettet. Dass heute Giftmorde auf dem Rückzug sind, ist Profis wie Volkmar Schneider zu verdanken. Wenn er "seine" Toten beschaut, entdeckt er hinterlistige Vergiftungen sofort: Arsen zum Beispiel riecht knoblauchartig, Blausäure nach Bittermandel, und E 605 ist an einer blauen Warnfarbe im Körper zu erkennen. Letzteres belegten eindrucksvolle Dias. Das leichte Würgen in den Zuschauerreihen kommentierte Schneider trocken: "Nun, das ist keine Kunstgeschichte hier."

Uta Kornmeier

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