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Kultur: Rückenschmerzenexpertenkongress: Vielleicht sind wir nicht zum aufrechten Gang gebaut ? (Kommentar)

Die Welt ist voller Wunder. Das glauben Sie nicht, Sie nüchtern materialistisch eingestellter Zeitgenosse?

Die Welt ist voller Wunder. Das glauben Sie nicht, Sie nüchtern materialistisch eingestellter Zeitgenosse? Dabei schließen sich Wunder und Materialismus keineswegs aus: Nehmen Sie nur die Rückenschmerzen, die Ihnen in der heutigen Ausgabe dieses Blattes auch andernorts nahegebracht werden. Der Mensch, so erfahren wir anlässlich der zum Thema Rückenschmerzen sich versammelnden Teilnehmer eines Rückenschmerzenexpertenkongresses, der Mensch hat sie. Also Sie und ich und Ihr Nachbar auch. Das Tier hat sie nicht, mit Ausnahme des Dackels - aber das ist ein anderes Thema (ich meine die Frage, ob der Dackel in seiner Eigenschaft als Abkömmling des Sofakissens überhaupt zur Fauna zu zählen ist und wie kurz Beine sein dürfen, um noch die Kriterien des Vierbeinertums zu erfüllen.) Wenn nun also der Mensch zur speziellen Spezies der unter Rückenschmerzen leidenden Kreaturen zählt, nicht aber das Pferd, der Elefant oder das Rhinozeros, um vor allem die schwergewichtigeren Exemplare zu nennen, dann kann das nur heißen, dass der Schmerz etwas mit dem aufrechten Gang zu tun haben muss. Womit wir beim Wunder wären. Wir überwinden die Natur - und schleppen sie gleichzeitig weiter mit uns herum. Ist doch irre. Eigentlich sind wir als Vierbeiner geplant und gebaut, setzen uns jedoch einfach über unsere eigenen Baupläne hinweg und richten uns auf. Der Pinguin ist zum Watscheln gemacht, wir aber nicht! Und tun es trotzdem: aus Neugier womöglich. Oder aus moralisch-ästhetischen Gründen. Für den Blick ins Offene und den Griff nach den Sternen.

Wenn das kein Beweis für den freien Willen ist, ja für die Seele des Menschen: Krumm sollen wir sein, stur unter uns schauend, aber nein, wir strecken uns zu höheren Gefilden hinaus, wider jeglichen physikalischen Sinn und Verstand. Der Rückenschmerz, seien wir ehrlich, ist eine Kulturleistung. In ihm versöhnen sich Körper und Geist, Fleisch und Seele, die schnöde Materie und der wundersame Wille zur Metamorphose. Nur ein Wunder, ein kleines noch, lässt auf sich warten: das schmerzlindernde Mittel. Kulturleistungen, darum werben wir jedenfalls täglich auf diesen Seiten, müssen nicht auf immer und ewig leidgeprüft sein. Verehrte Kongressteilnehmer, wir hoffen auf Sie.

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