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Kultur: Rückkehr der Stille

In Friedrichshain hängen Plakate, die zur Diashow einladen: "Irland am Rand der Zeit".Gelockt wird mit gängigen Klischeebildern, mit grünen Wiesen, mit Hügeln, dem weiten Meer.

In Friedrichshain hängen Plakate, die zur Diashow einladen: "Irland am Rand der Zeit".Gelockt wird mit gängigen Klischeebildern, mit grünen Wiesen, mit Hügeln, dem weiten Meer.Vom "Rand der Zeit" aber fehlt jede Spur.

Bei Anthony Haughey indes finden sich zeitliche Spuren zuhauf.Nicht auf den ersten Blick, man muß sich seine Fotografien, die nur vordergründig als Landschaftsaufnahmen daherkommen, schon genauer anschauen."Disputed Territory", so der Titel der Ausstellung in der Galerie Bodo Niemann, weist den Weg.Die Foto-Serie entstand während der letzten Monate, in der Zeit des Waffenstillstands zwischen den protestantischen und katholischen Lagern auf der grünen Insel.Die Arbeiten zeigen das Niemandsland zwischen der Grenze der Republik Irland und Nordirlands, das rivalisierende Gruppen lange Zeit zu kontrollieren suchten.Das schlug sich in der Alltagssprache nieder, die für das Niemandsland treffende Namen fand: "Murder triangle" oder "No go area".

Anthony Haughey, der selbst nahe der Grenze lebt, zeigt diese "No go area" in lyrischen Bildern.Die alltägliche Bedrohung, die Absurdität des Kampfes, Argwohn, Mißtrauen und Überwachung: All das tritt in den farbigen Fotos unterschwellig, fast beiläufig in Erscheinung.Da ist zum Beispiel die Arbeit "Suspicious Object" (3400 DM), in der zunächst gar nichts mißtrauisch wirkt.Ein schmaler geteerter Weg, Gras, Gestrüpp, eine silberne Tonne, made in China.Na und? Erst beim zweiten Blick nimmt man den Draht zur Kenntnis.Und den großen Stein, der bedrohlich wurfbereit obenauf liegt.

Oder "Memorial I" (3400 DM): Eigentlich sind da nur aufgeschichtete Äste zu sehen, ein kleiner Kranz aus Koniferengrün, mit roten Blümchen und Schleifen geschmückt.Erst fragt man sich, was das soll.Dann fällt einem ein, daß so die hiesigen Trauerkränze aussehen.An dieser Stelle ist ein Mensch zu Tode gekommen.Ähnlich sind auch die anderen Arbeiten.Einschußlöcher in Glasscheiben, Maschendraht-Reste zwischen Bäumen.Keine poetische Wahrnehmung, nichts mit Diaschau und Klischees.

Auch Anthony Haughey zeigt Natur.Einst umkämpft, jetzt zur Stille zurückgekehrt.Doch sind die Störungen, die noch vorhandene latente Bedrohung des brüchigen Friedens, die Narben, die die Zeit hinterließ, sichtbar.Haughey, der 36jährige Ire, hätte ähnliche Bilder auch in Deutschland fotografieren können.Sicher nicht in Berlin, wo alle Spuren des einstigen Grenzverlaufes mittlerweile verwischt sind.Aber zum Beispiel in der mecklenburgischen Provinz.Da gibt es inmitten großer Wälder fünfzig Meter breite Schneisen.Hier entlang verlief der Grenzzaun.Und nur langsam überwuchert die Natur diese Spuren.

Galerie Bodo Niemann, Rosenthaler Straße 40-41 (Hackesche Höfe), bis 27.Februar; Dienstag bis Freitag 13-19 Uhr, Sonnabend 12-18 Uhr.

ANDREAS HERGETH

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