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Kultur: Rückkehr oder Überschreitung

Dass er geht, steht zwar schon lange fest, doch langsam lassen sich auch die Konzerte, die Kent Nagano als Chef des Deutschen Symphonie-Orchesters in Berlin noch gibt, an einer Hand abzählen. Vor dem tränenreichen Abschied im Juni mit Beethovens „Missa Solemnis“ heißt es also unbedingt, an den letzten Ereignissen einer Ära teilzunehmen, die Berlins Klassikszene nachhaltig geprägt hat.

Dass er geht, steht zwar schon lange fest, doch langsam lassen sich auch die Konzerte, die Kent Nagano als Chef des Deutschen Symphonie-Orchesters in Berlin noch gibt, an einer Hand abzählen. Vor dem tränenreichen Abschied im Juni mit Beethovens „Missa Solemnis“ heißt es also unbedingt, an den letzten Ereignissen einer Ära teilzunehmen, die Berlins Klassikszene nachhaltig geprägt hat. Selbst Nagano-Skeptiker müssen anerkennen, dass der 53-Jährige das DSO zu einem Top-Orchester gemacht hat: was die Präzision und die Musikalität des Zusammenspiels, aber auch was die Qualität des Streicherklangs angeht. Für die Zurschaustellung dieser Qualitäten ist Richard Strauss’ „Alpensinfonie“ ein ideales Objekt. Aber bereits die Programmkopplung deutet an, dass Nagano auch bei diesem Stück mehr im Sinn hat als eine Gipfelbesteigung in orchestraler Opulenz. Denn Nagano-Konzerte waren stets Gelegenheiten, Musik anders zu hören, tradierte Werkbilder in Frage zu stellen. So auch diesmal: Die Gegenüberstellung mit Charles Ives’ „Central Park in the Dark“, einem der Schlüsselwerke der Moderne, erinnert am Dienstag und Mittwoch in der Philharmonie daran, dass auch Strauss’ Alpensinfonie ihre dunklen Seiten hat. Immerhin hebt das Stück in absolutem Orchesterdunkel an und sinkt letztlich wieder in die Finsternis zurück.

Naganos Abschied bedeutet zum Glück nicht das Ende gescheiter Konzertprogramme in Berlin. Erstens wird das DSO auch mit Ingo Metzmacher Ungewöhnliches auskochen, zweitens kommt mit Lothar Zagrosek noch ein Querdenker in die Stadt. Zwar tritt der Stuttgarter Opernchef sein Amt beim Berliner Sinfonie-Orchester erst nächste Saison an, aber das Programm, mit dem er sich diese Woche im Konzerthaus (12.–14.1.) präsentiert, kündigt schon Distanz von der Klassikerpflege seines Vorgängers Eliahu Inbal an. Er kombiniert Mahlers „Lied von der Erde“ mit einer Uraufführung: Das Stück „Herbst Wanderer“ des Japaners Toshio Hosokawa verspricht schon vom Titel her eine Auseinandersetzung mit Mahlers Welteneinsamkeit. Das hätte Nagano nicht besser machen können.

Jörg Königsdorf

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