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Kultur: Russland sucht den Dialog in Berlin: Die deutschsprachige Ausgabe der Kulturzeitschrift wagt sich ans Thema Beutekunst

Zu einer auch heutzutage durchaus ungewöhnlichen Premiere wurde am Mittwoch Abend ins Russische Haus der Wissenschaft und Kultur geladen. Die Zeitschrift "Twortschestwo", zu deutsch "Schöpfertum", präsentierte ihre erste deutschsprachige Ausgabe - noch ohne zu wissen, wie die 2000 gedruckten Hochglanzexemplare hierzulande vertrieben werden sollen.

Zu einer auch heutzutage durchaus ungewöhnlichen Premiere wurde am Mittwoch Abend ins Russische Haus der Wissenschaft und Kultur geladen. Die Zeitschrift "Twortschestwo", zu deutsch "Schöpfertum", präsentierte ihre erste deutschsprachige Ausgabe - noch ohne zu wissen, wie die 2000 gedruckten Hochglanzexemplare hierzulande vertrieben werden sollen. Aber der Herausgeber, der Internationale Kunstfonds in Moskau, will die russische Stimme zu Gehör bringen, und so hebt die erste Ausgabe gleich mit dem schwierigsten der bilateralen Kulturthemen an, der Frage der Restitution kriegsbedingt verlagerter Kulturgüter. Das mit großer Mehrheit von der Duma angenommene Gesetz hat bekanntlich die Nationalisierung der von der Roten Armee entführten Kunstschätze zum Inhalt - eine Position, die soeben durch das Veto des Interimspräsidenten Putin wieder ins Wanken gerät, aus russischer Sicht aber in jedem Fall ebenso auslegungsbedürftig ist wie die deutsche Forderung auf Rückgabe ohne Wenn und Aber. "Twortschestwo" bietet dazu die Bandbreite der russischen Auffassungen, von der stahlharten Position der unverwüstlichen Direktorin des Moskauer Puschkin-Museums und einstigen "Trophäen"-Kommissarin Irina Antonowa über den diplomatischen Michail Piotrowskij, Direktor der Petersburger Eremitage, bis zum liberalen Alexej Rastorgurjew. Der übrigens macht auf einen hierzulande vernachlässigten Aspekt aufmerksam: dass das Verstaatlichungs-Gesetz - "ob nun gut oder schlecht" - das erste "Dokument" sei, das die "verschleppten Kunstschätze zu Objekten des Rechts, nicht der Rechtslosigkeit macht". Das ist nach einem halben Jahrhundert des Verdämmerns der Kriegsbeute unter dem Tarnbegriff der "Spezialfonds", in der Tat ein Schritt in die richtige Richtung.

So betonten denn auch alle Teilnehmer der Berliner Vorstellungsrunde - an der Spitze Roman Wassiljew als Präsident des Internationalen Kunstfonds und Alexander Roschin als Chefredakteur der seit 1957 erscheinenden Vierteljahreszeitschrift -, dass die Öffnung der Depots wichtiger sei als die abschließende Regelung der Eigentumsfrage: Die "Bewahrung der Kunstschätze" - so Wassiljew - stehe "im Vordergrund". Roschin fügte die pragmatische Haltung hinzu, dass man in Russland sehr wohl wisse, dass es das Völkerrecht gebe, nur solle man "die gesetzlichen Bedingungen nicht mit den praktischen Umständen verwechseln". Als gangbarer Weg biete sich ein "zwischenstaatlicher Fonds" an, der die betreffenden Kunstschätze versammele und international durch Ausstellungen zugänglich mache, ohne dass vorab die Eigentumsfrage geklärt werde. Einmütig beharrten die russischen Gesprächspartner auf fallweisen Kompromissen. Roschin vergaß nicht, auf die anderthalb Millionen Kunstwerke hinzuweisen, die von der damaligen Sowjetunion an Deutschland, genauer gesagt an Dresden und Ost-Berlin, zurückgegeben worden seien - "ob das DDR oder BRD war, spielt ja keine Rolle". Unisono wurde beklagt, dass es umgekehrt keine vollständigen Verzeichnisse der russischen Kriegsverluste gebe.

Im April will eine von der Soros-Stiftung veranstaltete Tagung in Moskau den dünn gewordenen Faden des internationalen Dialogs über die Zukunft der Beutekunst wieder aufnehmen. Die deutschsprachige Ausgabe der russischen Zeitschrift - die im übrigen ihren Hauptteil Puschkin und Goethe widmet, diesen "beiden hervorragenden Vertretern unserer Nationalkulturen" - sollte als ein Gesprächsangebot verstanden und gewürdigt werden, um nicht nur in dieser, beide Seiten belastenden Problematik aus dem gegenwärtigen Stillstand herauszufinden.Twortschestwo. Zeitschrift für Theorie und Praxis der zeitgenössischen Kunst, für Geschichte der Kultur. Deutschsprachige Ausgabe ca. 10 Mark, Bezugsquellen noch unbestimmt.

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