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Kultur: Sachliches Seelchen

KLASSIK I

Wie sein Opernheld Palestrina gehört Hans Pfitzner zu der Spezies des reaktionären Genies. Das autobiografisch getönte Renaissanceporträt, aus dessen Altgoldrahmen uns der Komponist „am Ende einer großen Zeit“ anblickt, behauptet sich auf den Bühnen als später Solitär der Romantik. Im Uraufführungsjahr 1917 schreibt Pfitzner die Kampfschrift „Fururistengefahr“, und es liest sich schlimm, wie er in den Dreißigerjahren im „Völkischen Beobachter“ gegen die „Frankfurter Zeitung“ wettert und den „zersetzenden jüdisch-internationalen Geist“. Vor der nahenden Weltkatastrophe erscheint uns das Streitthema selbst, „Einfall“ und „musikalische Inspiration“, heute klein.

In nationalistischen Kreisen erfuhr damals auch das „Gemüt“ Eichendorffs seine Stilisierung. Aus dem Geist der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg komponiert Pfitzner die Kantate „Von deutscher Seele“. In einer sachlichen Interpretation des Rundfunk-Sinfonie orchesters Berlin unter Marek Janowski ist im Konzerthaus zu erfahren, dass es darin neben Knorrigem auch schöne „inspirierte“ Stellen gibt: In der „Nacht“ den romantischen Bläserchoral, das harmonisch fein entwickelte Gebet „Gott behüte Land und Haus“ mit dem Rundfunkchor Berlin, das Stück „Kaiserkron und Päonien“, das dem Sopran Melanie Dieners gehört und an dessen Grenzen rührt. Als Orchesterlieder sind die Soli sonst nicht so dankbar, weil sie gleichsam mit verteilten Rollen, von Vers zu Vers gesungen werden – immerhin von Iris Vermillion, Glenn Winslade und Frode Olsen. „Das Land ist ja frei!“ Bestürzend heldisch bereitet der Bass einem „Schifferspruch“ die Bahn: „Fass das Steuer!“ mit aufwändiger Apotheose über Gott und die Sterne.

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