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Kultur: Saftig tranchiert

THEATER

Die Performancekünstler des Carniceria Teatro aus Madrid mögen es drastisch. Bei ihrem letzten Gastspiel an der Berliner Schaubühne im vergangenen Jahr jagten sie ein tiefgefrorenes Brathähnchen in die Luft, den Zuschauern flogen zerfetzte Fleischbrocken um die Ohren. In ihrem neuen Stück wälzen sich die Schauspieler in Strömen von Milch und Rotwein auf dem Boden, lassen Klopapierrollen, Mehl, Würstchen und Kohlköpfe von der Decke regnen oder demonstrieren einen Einlauf mit Coca-Cola. Dass diese Übungen in theatralischem Extremsport mehr sind als pubertärer Klamauk oder ein bedauerlicher Rückfall in die Analphase, liegt am Kontext, in den die Performer ihr lustvolles Rum-Igeln setzen: Kleine autobiografische Geschichten, wütende Agitprop-Parolen, Tanznummern, der Auftritt einer Blasskapelle, Filmeinspielungen – ein Gewitter szenischer Aktionen, das seine Kraft aus der Rasanz der Performance und der Montage unterschiedlicher Stilmittel zieht.

Wobei die Aussagen immer unmissverständlich bleiben, etwa wenn sich Rubén Ametllie, Juan Loriente und Juan Navarro, die drei Performer des Abends, ihre nackten, verschwitzten Körper mit Markenlogos von VW bis Nike bemalen. „La historia de Ronald el payaso de McDonalds“, also „Die Geschichte, von Ronald, dem Clown von McDonalds“ treibt die gute alte Konsumkritik, die Polemik gegen den Fetischismus der Waren und Logos, in ein obszönes Delirium: Das Ende der Warengesellschaft als trashiges Inferno. In die Krassheiten sind melancholische kleine Bosheiten montiert, zum Beispiel wenn eine Künstlerbiographie illusionslos zusammengefasst wird: „Bis 25 willst du Künstler sein. Mit 26 musst du jeden Tag Geld verdienen. Mit 27 bist du schon gescheitert.“ Rodrigo Garcia, der Autor, Regisseur und Kopf des Carniceria Teatro hat eine sehr eigene Performancekunst entwickelt, die Radikalität mit Charme und Subversion mit Partylaune verbindet. Damit zeigte die Schaubühne zum Abschluss ihres 4. Festivals Internationaler Neuer Dramatik („F.I.N.D“) , nach szenischen Lesungen neuer Theaterstücke von Franz Xaver Kroetz, Joanna Laurens, David Gieselmann und Marius von Mayenburg eine rockende Performance, die wenig mit herkömmlicher Dramatik, aber viel mit bester theatralischer Anarchie zu tun hatte.

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