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Kultur: Saftig tranchiert

PERFORMANCE

Die Performancekünstler des Carniceria Teatro aus Madrid mögen es drastisch. Bei ihrem letzten Gastspiel an der Berliner Schaubühne jagten sie 2003 ein tiefgefrorenes Hähnchen in die Luft. In ihrem neuen Stück wälzen sich die Schauspieler in Strömen von Milch und Rotwein, lassen Klopapierrollen, Mehl, Würstchen und Kohlköpfe von der Decke regnen oder demonstrieren einen Einlauf mit Coca-Cola. Dass es hier um mehr geht als pubertären Klamauk, liegt am Kontext, in den die Performer ihr lustvolles Rum-Igeln setzen: Kleine autobiografische Geschichten, Agitprop-Parolen, Tanznummern, der Auftritt einer Blaskapelle, Filmeinspielungen – ein Gewitter szenischer Aktionen, das seine Kraft aus der Rasanz der Performance, der Montage der Stilmittel zieht.

Wobei die Aussagen immer unmissverständlich bleiben, etwa wenn sich Rubén Ametllie, Juan Loriente und Juan Navarro ihre nackten, verschwitzten Körper mit Markenlogos von VW bis Nike bemalen. „Die Geschichte von Ronald, dem Clown von McDonalds, treibt die Polemik gegen den Fetischismus der Waren und Logos in ein obszönes Delirium: Das Ende der Warengesellschaft als trashiges Inferno. In die Krassheiten sind melancholische kleine Bosheiten montiert: „Bis 25 willst du Künstler sein. Mit 26 musst du jeden Tag Geld verdienen. Mit 27 bist du schon gescheitert.“ Rodrigo Garcia, der Kopf des Carniceria Teatro hat eine sehr eigene Performancekunst entwickelt, die Radikalität mit Charme und Subversion mit Partylaune verbindet. Damit zeigte die Schaubühne zum Abschluss ihres 4. Festivals Internationaler Neuer Dramatik nach szenischen Lesungen neuer Stücke von Franz Xaver Kroetz, Joanna Laurens, David Gieselmann und Marius von Mayenburg eine rockende Performance, die wenig mit herkömmlicher Dramatik, aber viel mit bester theatralischer Anarchie zu tun hatte.

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