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Kultur: Saisonware

Keiner kann sich mehr an den Moment erinnern, an dem es anfing. Der Kunstboom kam schleichend.

Keiner kann sich mehr an den Moment erinnern, an dem es anfing. Der Kunstboom kam schleichend. Erst wurde es immer voller auf den Vernissagen, dann die Partys rund um die Kunstmessen immer heißer. Inzwischen kommt kein Lifestylemagazin und kein Hochglanzheft mehr ohne Atelierbesuche, „It-Lists“ und „Must-Haves“ aus. Selbst ein Einrichtungsmagazin wie „Architektur & Wohnen“ erklärt zum neuen Wohntrend 2006: Kunst. Womit wir beim Problem wären. Denn mit dem Glamourfaktor sind auch die Preise gestiegen.

Wer trotz kleinem Etat neu einsteigen möchte, dem bietet eine bis kommenden Freitag laufende Internetauktion eine günstige Gelegenheit. Unter der Adresse www.sos-kunststueck.de wird man zu einer Ebay-Auktion weitergeleitet, bei der bereits für wenige hundert Euro Arbeiten zu ersteigern sind. Für die Charity-Auktion zugunsten von SOS-Kinderdörfern haben so angesagte junge Künstler wie André Butzer, Thomas Zipp und Jonathan Meese Arbeiten zur Verfügung gestellt. Aber leider nicht nur die: Auch Prominente wie der Schauspieler Axel Prahl oder die Moderatorin Caroline Beil steuerten „Kunstwerke“ bei. Die Schwierigkeit besteht nun darin, unter den 113 Originalen die Juwelen zu erkennen – denn die Auktion läuft anonym. Erst nachdem der virtuelle Hammer gefallen ist, wird die Identität des Künstlers entschlüsselt.

Doch Verlierer kann es dabei gar nicht geben: Der Bieter, der eine Papierarbeit von SEO für 586 Euro bekommen hat, kann sich glücklich schätzten – kosten doch vergleichbare Arbeiten in der Galerie 1700 Euro. Und derjenige, der 252 Euro für die abstrakte „Mischtechnik auf Papier“ gezahlt hat, die von einem SOS-Kinderdorfkind stammt, tut immerhin etwas Gutes. Am Freitag endet die Aktion eigens mit einer Live-Auktion ausgewählter Werke in Hamburg, bei der die Preise allerdings wohl deutlich steigen werden. Denn welcher Künstler sich hinter dem brachial gemalten Bild mit dem verräterischen Titel „Erzpolitik“ verbergen könnte, steht inzwischen eben auch in der Vogue.

Katrin Wittneven

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