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Kultur: Sanfte Brise durch Königspalmen

LATIN

Jubelnder Aufruhr im Publikum, das jeden Winkel des Tempodroms ausfüllt. Ibrahim Ferrer betritt die Bühne, verneigt sich im tosenden Applaus und stimmt „Bruca Manigua“ an, jenen Klassiker, der ihn vor vier Jahren in den Sternenhimmel des Buena Vista Social Club katapultiert hat. Von dieser längst als Warenzeichen eingetragenen Musikerplattform sind noch der Bassist Cachaíto, der Trompeter Guajiro Mirabal und der Gitarrist Manuel Galbán dabei. Die musikalische Leitung aber hat Demetrio Muñiz übernommen. Ihm, der im 19-köpfigen Orchester in hinterster Reihe Posaune bläst, sind nicht nur die großartigen Arrangements auf Ferrers neuem Album „Buenos Hermanos“ (World Circuit) zu verdanken, sondern auch die spritzigen Einfälle zur Tour. Muñiz gelingt eine moderne Kreuzung aus Glenn-Miller-Bläsern und der Banda Gigante von Beny Moré, eine Melange aus tropischem Ballsaal und Carnegie Hall.

Ibrahim Ferrer glänzt darin vor allem mit der Interpretation von Boleros, seiner stillen Leidenschaft. Sein schmachtend nasaler und melodiöser Gesang streicht wie eine sanfte Brise durch Königspalmen. Und wenn die Bigband zu einem Quintett schrumpft oder wenn Ferrer lediglich vom vorzüglichen Jazzpianisten Roberto Fonseca begleitet wird, läuft der 76-Jährige zu Höchstform auf. Ferrer braucht diese Intimität, für seine Stimme ist die Zeit der rasanten Guarachas vorbei. Für Ferrer ist es ohnehin nicht leicht, die gewaltige Formation im Rücken zu beherrschen. Für die Rolle des Frontman ist er zu zurückhaltend – aber genau das bringt ihm die Sympathie des Publikums ein. Ferrer ist ein Pop-Star ohne Allüren, ein Bandmitglied, das mit seinen Musikern verschmilzt zu einem einzigen, wunderbaren Guss.

Roman Rhode

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