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1966 wurde der historische Saal der Komischen Oper mit einer bewusst modernen architektonischen Hülle ummantelt.

© Jan Windszus

Sanierung der Komischen Oper: Diesmal geht alles gut

Landeskonservator Christoph Rauhut verteidigt die Denkmalschutzforderungen, Komische-Oper-Intendant Barrie Kosky verlangt Ehrlichkeit in Geldfragen.

30 Jahre, also die Zeitspanne einer Generation, das ist die kleinste Einheit, in der Denkmalschützer rechnen. Für die verblichene Deutsche Demokratische Republik wurde diese Schwelle jetzt gerade überschritten, und so scheint es nur logisch, dass Christoph Rauhut, der 35 Jahre junge Berliner Landeskonservator, noch mehr Respekt als bisher schon für das Erbe des real existierenden Sozialismus einfordert.

Die Komische Oper gehört für ihn definitiv dazu. Und zwar in der Form, wie das Gebäude-Ensemble Anfang der 1960er Jahre neu erbaut wurde, rund um einen Theatersaal, der den Krieg überstanden hatte.

Dieser Saal gehörte ursprünglich zu einem Entertainment-Center, das 1892 zwischen Unter den Linden und Behrenstraße errichtet worden war. Ein turbokapitalistisches Investorenprojekt, das nach außen mit maximalem wilhelminischen Pomp prunkte, während die Bühne einen Hinterhofplatz zugewiesen bekam.

Vorne am Prachtboulevard sollte ein Hotel für Umsatz sorgen, auf der anderen Seite des Häuserblocks lockten mehrere Restaurants und Cafés die Passanten an. Das Tingeltangel, den das „Metropol“ genannte Theater bot, war nur das Sahnehäubchen in dem ganz auf Rendite getrimmten Unternehmen.

Erst Walter Felsenstein, der hier 1947 die Komische Oper gründete, als innovatives Musiktheater, bei dem sich Gesang und darstellende Kunst erstmals auf Augenhöhe begegnen sollten, adelte das Haus mit seiner Kunst. Weshalb die DDR-Führung nach dem Mauerbau dem inmitten von Trümmern stehen gebliebenen Saal ein neues Foyer spendierte, dazu Werkstätten und Probebühnen sowie, auf der Linden-Seite, einen Plattenbau für die Verwaltung.

Für den Landeskonservator war ein "Künstlerarchitekt" am Werke

„Ohne nostalgisch sein zu wollen, ist das Gelände der Komischen Oper ein Ort, wo man Ost-Berlin noch nachfühlen kann“, sagt Christoph Rauhut. „Das ist ein Thema, das mich sehr bewegt.“ Auch wenn das DDR-Erbe oft sehr schlicht gestaltetet sei, weil man bei den Baumaterialien nicht das aufbieten konnte, was im Westen möglich war, „haben die Architekten trotzdem teilweise sehr interessante Werke geschaffen“.

Auch Kunz Nierade, der Erbauer der neuen Komischen Oper, zählt für Rauhut zu diesen „klassischen Künstlerarchitekten“. Darum will der Denkmalschützer die Chance nutzen, bei der Sanierung des Hauses vieles von dem wieder sichtbar zu machen, was 1966 entstanden ist. In Barrie Kosky, dem Intendanten der Oper, hat er dabei einen Mitstreiter.

Barrie Kosky ist ein Fan des architektonischen Minimalismus

Der sich beispielsweise dafür begeistern kann, dass die Fassade wieder jene fast weißen Sandsteinplatten erhalten soll, mit denen sie ursprünglich verkleidet war: „Die minimalistische Architektur ist in ihrer Art unglaublich schön!“ Selbst an der 2005 von Stephan Braunfels geschaffenen Verspiegelung des Foyers, die beim Publikum äußerst beliebt ist, würde er nicht festhalten, wenn es darum geht, die Atmosphäre der 60er auch im Inneren des Hauses wieder auferstehen zu lassen. Zumal die Braunfels-Arbeit damals nur als „temporärer Einbau“ beim Denkmalschutz beantragt worden war.

Landeskonservator Christoph Rauhut
Landeskonservator Christoph Rauhut

© Anne Herdin/Landesdenkmalamt Berlin

Koskys Hauptaugenmerk allerdings liegt auf dem Neubau, der entlang der Glinkastraße zwischen Unter den Linden und Behrenstraße entstehen soll: „Wir sind in eine der besten Locations in der Mitte Berlins. Das bedeutet, wir müssen hier eine durchdachte architektonische Dramaturgie entwickeln“, sagt er. Im Dreidritteltakt soll das Herz des Musiktheaters künftig schlagen: „Bei der erzählen wir zwei Geschichten aus der Vergangenheit und eine aus der Zukunft.“

Der Saal soll seine Magie behalten

Als „Juwel“ bezeichnet der Intendant den historischen Zuschauerraum. „Ihm wollen wir seine Patina lassen.“ An die Akustik will Kosky nur minimalinvasiv ran, ohne die Veränderung des optischen Eindrucks also. „I don't want to touch the magic of the space.“

Der Renovierungsbedarf im Saal sei auch gar nicht so groß, wie das seit Jahren gespannte Netz unter der Decke suggeriere: „Die Decke muss allerdings grundlegend untersucht werden. Nachdem der Flügel eines Stuck-Engels abgebrochen war, haben wir das Netz zur Sicherheit angebracht. Seitdem ist zum Glück nichts mehr passiert.“

Ziemlich durchgesessen sind in der Wahrnehmung Koskys dagegen die Stühle: „Wegen des großen Erfolgs in den letzten acht Spielzeiten, denn wir haben fast 50 Prozent mehr Zuschauer als vorher.“ Die Sessel sollen aufgepolstert werden, außerdem bekommt die Untertitelanlage in den Lehnen ein Update: „Viele Zuschauer wünschen sich, dass die Schrift größer wird. Und wir möchten außerdem künftig zwei Sprachen mehr anbieten können. Dafür sind neue Displays erforderlich.“

Im Neubau erträumt sich die Komische Oper ein Dachterrassencafé

Nach der ersten Zeitschicht aus der Kaiserzeit folgen die DDR-Geschichte und schließlich das 21. Jahrhundert mit dem Neubau. Wobei Letzterer nicht nur dazu da ist, Büros und Proberäume unterzubringen, sondern auch dazu, in einen Dialog mit den Zuschauern zu treten. „Für diesen offenen Dialog brauchen wir Räumlichkeiten: 6000 Kinder und Jugendliche kommen beispielsweise jedes Jahr zu Workshops zu uns – wir könnten aber 12 000 einladen, wenn wir den Platz dafür hätten.“

Attraktiv soll die Theaterkasse an der Ecke Unter den Linden gestaltet sein, zudem ist geplant, nach dem Vorbild der Deutschen Oper die Mitarbeiterkantine mit einem öffentlichen Restaurant zu koppeln. Außerdem träumt die Komische Oper von einem für alle offenen Dachcafé.

Barrie Kosky ist seit 2012 Intendant der Komischen Oper
Barrie Kosky ist seit 2012 Intendant der Komischen Oper

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

Das ist auch für Christoph Rauhut denkbar: „Unter den Linden muss der Neubau die Höhe der übrigen Blockrandbebauung von 22 Metern respektieren“, erklärt er. „In Richtung Behrenstraße aber können bis zu zwei Stockwerke zusätzlich entstehen.“ Auf dem flacheren Gebäudeteil könnte sich dann die Terrasse erstrecken – mit unbezahlbarem Blick auf den Prachtboulevard.

Deutlich sind die Vorgaben des Landeskonservators zur anderen Ecke des Neubaus an der Behrenstraße: „Das Rechteck der 1966er Fassade soll im Kontrast stehen zu dem dort deutlich höheren Neubau.“ Ob es den Architekten gelingt, alle Wünsche der Komischen Oper auf dem schmalen Grundstück unterbringen, wird man Ende August wissen, wenn der Gewinner des Wettbewerbs feststeht. In die Tiefe zu gehen ist ausgeschlossen, da sind sich alle Akteure einige: weil das immer ein Kostentreiber sei, wie Rauhut betont.

"Lasst die Architekten träumen", fordert Kosky

„Natürlich ist es eine Herausforderung, den Dialog herzustellen zwischen den Zeitschichten“, räumt Kosky ein. „Aber ich sage immer: Lasst die Architekten träumen! Sie sollen planen, wie man einen Garten plant: Denn es gilt, ein Ökosystem zu etablieren, das die drei Perioden miteinander verbindet.“ Dabei soll es keine gedanklichen Tabus geben, findet er: „Until we have a winner on the Tisch, we are only dealing with Meinungen.“

Den Leser der Wettbewerbsunterlagen beschleicht dagegen eher das Gefühl, die Architekten hätten vor lauter Denkmalschutzforderungen fast keinen kreativen Spielraum. „Wir haben in den Unterlagen umfangreich dargelegt, was uns wichtig ist“, räumt Christoph Rauhut ein.

„Dadurch mag der Eindruck entstehen, dass die Denkmalpflege sehr dominant ist. Wir wissen eben sehr viel über die Gebäude, und Wettbewerbsverfahren sind eine Möglichkeit für uns, dieses Wissen weiterzugeben. Damit später niemand sagen kann, er habe nicht Bescheid gewusst über die historisch gewachsenen Strukturen.“

Alles soll transparenter sein als beim Staatsopern-Debakel

Tatsächlich aber geht die Debatte um den richtigen Umgang mit der Komischen Oper auch für den Landeskonservator nach der Verkündung des Gewinnerentwurfs weiter: „Die Erfahrung zeigt, dass im Laufe eines Prozesses an bestimmten Punkten nachgearbeitet werden muss. Da gibt es immer Diskussionen in Einzelfragen.“ So sieht es auch Kosky. Der den Baumaßnahmen übrigens erstaunlich zuversichtlich entgegensieht.

Viele Leute denken: Oh Gott, das wird die Staatsoper Teil 2, die Fortsetzung eines Horrorfilms: The Return of the Umbau.“ Doch diesmal laufe alles ganz anders, also viel besser und transparenter, schon in der Planung und Vorbereitung. „Außerdem wir müssen kein Ersatz-Rokoko aus den 50er Jahren rekonstruieren, und es sind auch keine Tunnelbauten wie bei der Staatsoper vorgesehen.“

Eines aber will der Intendant dann doch noch klarstellen: „Die Politiker müssen verstehen, dass ein Haus der darstellenden Kunst keine Bibliothek ist und kein Flughafen. Bücher und Flugzeuge sprechen nicht, unser Publikum schon. Wenn es Probleme oder negative Nachrichten gibt, schadet das unserem Ruf. Darum müssen wir den Menschen schon jetzt sagen, dass die Baukosten steigen werden. Wir haben einen Kostenrahmen von 227 Millionen Euro, aber das wird nicht die finale Summe sein – schon wegen der nur schwer prognostizierbaren Steigerungen aufgrund des Baukostenindex. Lasst uns ehrlich sein!“

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