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Kultur: Sardinen und Leuchttürme

"Ein Leuchtturm ist ein trauriger und glücklicher Ort" verheißt poetisch der Titel zu einer Übersichtsschau aktueller portugiesischer Kunst.Der Akademie der Künste wie dem Berliner Publikum wurde sie kurzfristig beschert - als Gastgeschenk.

"Ein Leuchtturm ist ein trauriger und glücklicher Ort" verheißt poetisch der Titel zu einer Übersichtsschau aktueller portugiesischer Kunst.Der Akademie der Künste wie dem Berliner Publikum wurde sie kurzfristig beschert - als Gastgeschenk.Anlaß für dieses kulturelle Präsent ist der Staatsbesuch von Portugals Staatspräsident Jorge Sampaio in Deutschland, der die Ausstellung am Montagnachmittag bei einem Festakt eröffnete.

Einen Leuchturm hat selbst ein Staatsoberhaupt selbstverständlich nicht im diplomatischen Gepäck.Er mag ein trauriger und schöner Ort sein, vor allem aber ist er in diesem speziellen Fall ein metaphorischer.Delfim Sardo als Kurator der Gruppenschau sieht in ihm ein Symbol für eine Form des Sehens.Das zugehörige Stichwort Landschaft ist für ihn Dreh- und Angelpunkt der Schau.Auch den Begriff Landschaft hat er dabei weit gefaßt, gewissermaßen erneut metaphorisch.Er versteht ihn als Synonym für den übergeordneten Versuch der beteiligten Künstler, einen Bezugshorizont zu definieren.Die Kategorie Landschaft erweitert er dabei um ein zusätzliches Stichwort, das der Figur.Sardo versteht Landschaft als einen Raum, einen Körper, der bewohnt werden kann.Den Leuchtturm sieht er entsprechend als Bezugspunkt, an dem sich Landschaft definiert: einerseits sei er eine Maschine, eine Vorrichtung, die Sehen ermöglicht.Andererseits ein weithin sichtbares Erkennungsmal, eine Landmarke.Nicht den definitiven Stand der Dinge in der aktuellen portugiesischen Kunst gelte es vorzuführen, sondern einen Standpunkt: "Die Ausstellung ist eine über die Möglichkeit, einen Standpunkt zu vertreten." Das klingt zunächst überaus kompliziert, ist aber im Grunde ganz einfach.In dieser Ausstellung geht es um Sehen und Gesehen werden.Und um den Kunstgriff, aus der Not, daß höchst unterschiedliche künstlerische Ansätze eine Klammer benötigen, eine Tugend zu machen.

Vorgestellt werden zwölf Künstlerinnen und Künstler unterschiedlicher Generationen.Die frühsten der gezeigten Werke, silbrige Objektkästen akkumulierter Alltagsfundstücke von Langustinen und Sardinendosen über künstlerische Handwerksutensilien wie Pinsel und Spachtel bis Brille von Lourdes Castro stammen aus den 60er Jahren.Die 1930 geborene Künstlerin war 1962 Vertreterin des Landes auf der Biennale von Sao Paolo.Jüngster Teilnehmer ist Noé Sendas (Jahrgang 1972) mit seiner neuesten Videoinstallation "Impulse und Schwankungen (Dialoge)".Exemplarisch für Landschaft (und Figur) als Fixpunkte, um ungewohnte Sichtweisen der Wahrnehmung zu konstituierten, kann Augusto Alves da Silva Fotoserie "Eine solche Stadt" gelten.Zentral am Eingang zu Halle II plaziert, kombiniert er subjektive Ausschnitte von Aufnahmen städtischer Peripherie, von Industrieanlagen am Meer und von Menschen, die eine Strandpromenade entlanglangspazieren.Da Silva zeigt die Passanten aus ungewöhnlichem Kamerawinkel, beschränkt sich auf die rein anatomische Körpermitte der Hüftpartie.Landschaft meint hier gesichtslose, zuweilen häßliche Durchgangsstationen: Hafen- und Gleisanlagen, Autobahnzubringer, Niemandsland voll Wohlstandsmüll oder ein Friedhof.Es sind unspektakuläre Orte, die jeglichen Anflug sentimentaler Landschaftsbetrachtung von sich weisen.Und an denen der Fotograf doch immer wieder versöhnende Zeichen dafür entdeckt, daß sich der Mensch selbst diese unwirtlichen Orte wiederaneignet, kreativ zu eigen macht: ein Graffitti, spielende Kinder.

Schwarz bestimmt die Leinwände von Luis Noronha da Costa: Winzige Sichtfenster öffnet er im Dunkel des einen Bildes, enschwindende, in geheimnisvolles Licht getauchte Nachtlandschaften.Die andere Leinwand läßt Grau in Schwarz eine filmähnliche Abfolge von Landschaftsbildern kaum mehr ahnen.Da Costa arbeitet an dienGrenzen des Wahrnehmungsvermögens.Rue Chafes vielfach als "Augenlid" betitelte Metallskulpturen wirken dazu wie eine Ergänzung im Figürlichen.Seine abstrakt schemenhaften Erinnerungen menschlicher Körperandeutung schweben als schwarze Metallgespenster von der Decke.Sie hinterlassen mit ihren verflochtenen Metallbändern und filigranen Gitterwerk von netzartigen Körperandeutungen einen flirrenden Bildeindruck auf der Netzhaut des Betrachters.Für den erweiterten, punktuell reichlich gedehnten Landschafts- (und Figuren-) Begriff der Schau stehen Patrícia Garridos "Rolled Kilometer" in bewußter Titelanalogie zum "Broken Kilometer" des Land-Art-Künstlers Walter de Maria.Der "eingerollte Kilometer" der portugiesischen Künstlerin aber zeigt Kugeln, die sie aus jeweils einem Kilometer haushaltsüblicher Frischhaltefolie formt.Einen orginellen Landschaftsakzent setzt auch Berta Erlich.Wie der rothaarige Schopf einer Riesin wirkt ihre Installation aus dickem Kupferdraht.Als habe ein gigantisches Rapunzel gerade ihren geflochtenen Zopf heruntergelassen und dieser läge dort nun abgeschnitten am Boden.

Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, bis 19.Juli, Montag 13 - 19 Uhr, Dienstag bis Sonntag 10 - 19 Uhr.Katalog 12 DM.

ELFI KREIS

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