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Kultur: Schattenwelt

Foto-Ausstellungen bei Stedefreund und Rudolph

Düsteren Prognosen zum Trotz, die Digitalfotografie besiegele das Ende des fotografischen Zeitalters, besinnt sich eine jüngere Künstlergeneration auf analoge Techniken und experimentiert mit einem erweiterten Fotografie-Begriff. Komplexe und erfrischend schräge Ansätze präsentiert der Projektraum Stedefreund mit „Les Chants de Maldoror“. Fotografie studiert hat einzig Tamara Lorenz; aber das Kategorisieren lehnt sie strikt ab.

Künstler sei ein treffender Begriff, sagt Christof Zwiener, der eigentlich Bildhauer ist und in der Ausstellung fotografische Arbeiten zeigt. Für „Temporary Sculpture“ hat er eine Karl-Marx-Büste mit Wasser übergossen, was dem in Stein gemeißelten Porträt im Moment des Auslösens subtile Flüchtigkeit verleiht (1800 €). „Shadows“ besteht aus 15 Satellitenaufnahmen deutscher Nationaldenkmäler. Zwiener entzieht ihnen die Farbe und wählt die Schatten so, dass das Repräsentative aus dem Lot gerät (2400 €).

Die Fotografien seien „sehr bildhauerisch“, bemerkt Alexandra Schumacher. Die Bildhauerin überschreitet die Grenzen von Raum, Zeit und Medien ebenso mühelos wie ihre Kollegen. „Willkommen im Kontinuum“ potenziert verblüffend den rauen Charme des Projektraums. Eine begehbare Lattenkonstruktion, wuchtig und fragil zugleich, betont vorhandene Strukturen und legt den Blick frei auf eine Fototapete, die eine ähnliche Anordnung im Atelier spiegelt (Preis auf Anfrage).

Das Atelier thematisiert Tamara Lorenz’ Fotografie, die wie eine konstruktivistische Zeichnung anmutet. Bei genauem Betrachten erkennt man den Faltenwurf eines Vorhangs, das Klebeband, das Plastik- und Holzlatten zu geometrischen Formen verbindet, ein roter Punkt entpuppt sich als Schleifpapierscheibe. Eingebettet ist die Fotografie in eines von zwei skulpturalen Objekten, die Lorenz samt Video zur Installation „Sit back and enjoy the real McCoy“ vereint (Preis auf Anfrage).

Einen derart fruchtbaren Dialog lässt „The Show with no Name“, für die Jette Rudolph den Schweizer Kurator Fabian Schöneich eingeladen hat, leider vermissen. Überzeugen können Tobias Spichtig und Emilie Pitoiset. Spichtigs wilder Parcours durch die Kunstgeschichte besticht durch hintergründigen Humor. Abstrakt expressive Malerei lässt der Züricher Künstler (Jahrgang 1982) wie eine Wolke über die Skyline von San Francisco ziehen und zwischen Donald Judds Betonkuben im texanischen Marfa kompiliert er Ferienschnappschüsse zu performativen Fotografien mit Malewitsch-Quadrat (Preise 780–4500 €). Emilie Pitoiset hat für ihre Serie „Just Because“ 50er-Jahre-Fotos von Schützen dekonstruiert. Ausgehend vom Schusszentrum ist das Bild säuberlich zerlegt – der Betrachter steht davor wie vor einem gesprungenen Spiegel und ist zugleich das Zielobjekt (Preise 1600–2800 €). Der Kurator sieht die von ihm präsentierten Künstler – außerdem Amelia Bywater und Lars Morell – „nicht mehr als Fotografen, die sich mit Kunst beschäftigen, sondern als Kinder des Konzepts, denen das fotografische Bild selbstverständlich als Mittel zum Zweck dient“. Es mag dieses Zweckdienliche sein, das das Konzept spröde wirken lässt. Michaela Nolte

Stedefreund, Dorotheenstr. 30, bis 14. Aug.; Mi bis Sa 14-19 Uhr. – Galerie Jette Rudolph, Zimmerstr. 90-91, bis 7. Aug.; Di bis Sa 11.30-18 Uhr.

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