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Kultur: Schauspiel Hannover: Teutoburg ist überall

Ein viel versprechender Dreiklang zur Eröffnung in Hannover, zwei Uraufführungen plus ein praktisch nie gespieltes Kleist-Stück. Im bayerischen Biergarten lauschen wir Herbert Achternbuschs Disputen von diversen Menschen mit dem Nachnamen Maier über Griechenland sowie von der Liebe einer Bedienung zu Achternbuschs Alter Ego Herbert.

Ein viel versprechender Dreiklang zur Eröffnung in Hannover, zwei Uraufführungen plus ein praktisch nie gespieltes Kleist-Stück. Im bayerischen Biergarten lauschen wir Herbert Achternbuschs Disputen von diversen Menschen mit dem Nachnamen Maier über Griechenland sowie von der Liebe einer Bedienung zu Achternbuschs Alter Ego Herbert. Die Berliner Autorin Thea Dorn erfindet eine aparte lustmordene Nike im Museum, und der Preuße Heinrich von Kleist wollte vor 200 Jahren ein vaterländisches Tendenzstück schreiben: "Die Hermannschlacht".

Die Premiere im Schauspielhaus vor sichtlich gedämpften Publikum, drei Tage nach der Katastrophe, zeigte überraschend Kleists 200 Jahre altes Germanenepos als Antihelden-, Antiterror-, Antikriegsstück, als wäre es ein Stück für heute. Mit einer überragenden Besetzung, allen voran Wolfgang Michalek als Cheruskerfürst Hermann, sicher geführt von Regisseur Thomas Bischoff, zeigte sich erschreckend klar, was Unterdrückung, was Hass und Wahn anrichten: Zerstörung, neuen Hass. Hermann, mehr Partisanenhäuptling als Fürst, treibt mit übler List die eigene Gattin sowie die disparaten Germanen in den Rachefeldzug gegen die überlegenen Römer. Am siegreichen Ende ist Teutoburg ein Trümmerhaufen. Überzeugender, treffender, wirkungsvoller kann Theater nicht beweisen, dass es was zu sagen hat.

Achternbusch dagegen hat offensichtlich nichts mehr zu sagen, er recycelt alte Texte und mutet uns ein überaus langweiliges Gespräch zweier Münchner Maier über Pallas Athene zu. Da mag der Biergarten im Ballhof auch mit Bier und Brezn und einer raumumgreifenden bayerischen Landkarte noch so anheimelnd ausgestattet sein (von Thomas Dreißigacker), die armen Schauspieler sich noch so wacker schlagen oder gar auch mal komisch und ergreifend sein wie Oda Thormeyer in ihrem Monolog als schlecht behandelte Achternbusch-Geliebte - das Stück ist unrettbar, und Regisseur Anselm Weber konnte deshalb auch nichts dazu einfallen.

Im neuen reizvollen Spielort Cumberland, einem Treppenhaus über der gleichnamigen Theaterbar, wird Thea Dorns neues Stück "Nike" von einem fabelhaften Team zu einem außerst vergnüglichen Erlebnis. In einen Glaskasten eingesperrt ist ein junges Mädchen (fabelhaft unwirklich: Martina Struppek), das läutere ältere Männer, Typ Studienrat, aus Lust ermordete. Ihre etwas verkniffende Museumwärterin, deren flotter Freund und ein verrückter Pensionist (fabelhaft grässlich: Michael Rastl) geraten mit diesem unschuldigen Lustmonster in diverse Verwicklungen. Am Schluss sind die Männer tot, und Nike schwebt graziös davon. Das ist hübsch, das ist leicht, wenn auch zwischendurch ein bisschen banal. Aber Regisseurin Sabine Boss schafft es, auf kleinem Raum und nah am Zuschauer eine gewisse Unwirklichkeit und Gefährlichkeit in diesem absurden Museum herzustellen.

Ulrike Kahle

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