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Urberliner Charme. Michael Gwisdek bei den Dreharbeiten zu „Vater Morgana“ (2009). Foto: Maurizio Gamabarini/p-a/dpa

© picture-alliance/ dpa

Schauspieler: Glück ohne Ende

Er macht einfach sein Ding und ist dabei geschmeidig unbeugsam. Jetzt wird der Berliner Schauspieler Michael Gwisdek 70 Jahre alt.

Peschke. Richtig, Peschke hieß er, er trug diesen urberlinisch bellenden Namen und war doch nur eines der kleinen Lichter unter den vielen Kleinlichtern in Andreas Dresens „Nachtgestalten“. Genau, Peschke, das Männchen für alles bei der Bölkisch Schwermaschinen GmbH Tempelhof. Peschke, der irgendwelche Japaner vom Flughafen abholen soll, nur ist ihm gerade dieser hilflose kleine angolanische „Negerbengel“ dazwischengekommen, den er doch nicht sich selbst überlassen kann in der fremden Riesenstadt, denkt Peschke, der kleine Peschke mit Herz. Aber was wird denn jetzt bloß aus seinem Auftrag, richtig, „die Japaner, mein Gott, die Japaner ...“

Wie Michael Gwisdek das Wort „Japaner“ ausspricht, mit einem gaanz laaangen Aaaa auf der zweiten Silbe, das klingt, ein gutes Lach- und Filmgedächtnis vorausgesetzt, schon mal ein Leben lang nach. Unvergesslich auch, fünf Jahre und sieben Gwisdek-Kinofilme später, sein Direktor Klapprath, noch so ein Berliner Urgestein: Wie der in Nachwendezeiten reichlich abgesoffene SEDParteigenosse in „Good Bye, Lenin!“ die Tür zu seiner vermüllten Wohnung öffnet, und dann bugsiert der tapfere Daniel Brühl die schwer schwankende Gestalt da raus, die gleich eine unsterblich schlingernde Geburtstagsrede halten wird, den Präsentkorb mit orginaaaal Ost-Produkten in der Hand …

Hauptrollen? Ach was. Nicht, dass Michael Gwisdek nicht auch Hauptrollen spielen würde (er kann das übrigens sehr schön, zuletzt in Matti Geschonnecks „Boxhagener Platz“). Aber Gwisdek ist eher so’n Typ, der hineinschlendert in Filme durch eine Seitentür und mit seinem unnachahmlichen Timbre so ziemlich jede Situation erdet, in eine sehr berlinische Vernunft hinein, die, wie man weiß, auch ziemlich ausgeflippt sein kann. Und dann zieht er sein Ding durch, das Ding, das die Drehbuchschreiber ihm aufgeschrieben haben, und schon sieht es wieder mal so unverschämt überhaupt nicht nach Arbeit aus.

So kann man siebzig werden, mit inzwischen rund siebzig Filmen fürs Kino und fürs Fernsehen sowieso, und als deutscher Charakterkopfschauspieler irgendwann ganz weit oben sein. Vorausgesetzt, man findet, wie Michael Gwisdek mal beim Gespräch in seinem grandios selbstgezimmerten Naturholzschlösschen in der Nähe von Berlin verraten hat, das oft halbleere Glas des Lebens grundsätzlich mindestens halbvoll.

Gwisdek ist ein Lebensgenießer, das sagt er in jeder Geste, ein Augenblicksmensch, das zeigt er in jedem Wort – und sollte das jetzt jemand auch bloß für eine Rolle halten, eine tricky Tarnung, um über die eine und die andere Dunkelheit hinwegzuleben, dann aber: Klappe!

Der Vater war, zu Mauerbau-Zeiten, selbstständiger „Kneiper“ in Lichtenberg. In Vadderns Kneipe hat der Sohn auch gejobbt in seinen wilden jungen Jahren. Aber als er eines Tages sagte, dass er Schauspieler werden will und nicht Kneiper, da hat der Vater vor ihm ausgespuckt. Sowas kann einen Menschen brechen. Oder, bei aller Geschmeidigkeit, unbeugsam machen, geschmeidig unbeugsam wie Michael Gwisdek. Zehn Jahre hat er an der Volksbühne gearbeitet, zehn am Deutschen Theater, daneben Defa-Filme gedreht, sein liebster ist „Olle Henry“ von 1983, da spielte er einen Ex-Boxer, der sich in ein Animiermädchen verliebt. Oder war es umgekehrt? So ging es gegen Hindernisse, mit Widerständen, bis zum großen Riss ’89, der so viele Ost-Kollegen auf Nimmerwiederspielen in die Tiefe zog. Nicht so Michael Gwisdek, der hat sich, nach einer langen Schrecksekunde, berappelt und gemacht, was zu machen war: weitergemacht.

Drei Filme hat er sogar selbst gedreht, zwei ernste, „Treffen in Travers“ (1988) und „Abschied von Agnes“ (1994), und ein heftig benebeltes Ehezimmerschlachtfest mit seiner – damaligen – Frau Corinna Harfouch und ihm selbst in der Hauptrolle. „Das Mambospiel“ hatte 1998 den zweifelhaften Vorzug, der einzige deutsche Wettbewerbsbeitrag der Berlinale zu sein, und was haben die Kritiker, mit Ausnahme des für wilde Wagnisse stets empfänglichen Verfassers dieser Zeilen, das kaum verhüllte Ego-Ding in der Luft zerfetzt!

Seither ist und bleibt Michael Gwisdek lieber Schauspieler. In großen, mittleren und kleineren Filmen, in kleinen, mittleren und auch mal großen Rollen. Mit einem Schalk, der da im Gesicht sitzt, wo Wahrnehmung und Gedächtnis hausen – also etwa da, wo die Augenwinkeln in die Lachfalten übergehen. Und mit Lust auf Glück ohne Ende.

Das Kino Babylon Mitte zeigt vom 15. Januar bis 5. Februar 15 Filme von und mit Michael Gwisdek. Am 27. Januar, 19.30 Uhr, präsentiert er dort „Olle Henry“.

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