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Kultur: Schlitten fahren

Beuys, Cage, Vostell: Zum 45. Geburtstag seiner Edition zeigt René Block legendäre Objekte

Schaffen sei göttlich, Multiplizieren menschlich, so schrieb Man Ray einmal. René Block, der Grandseigneur des Kuratierens, hat sich die zweite Hälfte von Rays Diktum ausgeliehen und damit seine aktuelle Ausstellung überschrieben: einen Rückblick über seine 45 Jahre als Verleger von Editionen und Multiples. Aber was heißt hier Rückblick.

Es ist ein Feuerwerk, das Block da bei „Tanas“ entzündet, in der Fabriketage in der Heidestraße, in der die Edition Block normalerweise nur zwei Räume bespielt und der große Rest Ausstellungen mit Gegenwartskunst aus der Türkei vorbehalten ist, Kooperationen mit der Istanbuler Koc-Stiftung. Doch nun treffen sich hier all die Objekte, Kisten, Kästen, Drucke, Grafikmappen aus dem Hause Block wieder, die inzwischen Kunstgeschichte geschrieben haben: Beuys’ Schlitten mit Filzdecke, Fett und Taschenlampe etwa und der Büro-Rollschrank „En Bloc“ (1969 - 1972) mit Arbeiten von 18 Künstlern, unter ihnen Blocks Freund KP Brehmer, Imi Knoebel und Wolf Vostell, die in diesem Fall buchstäblich Kunst für die Schubladen schufen.

Oder John Cages „Mozart Mix“ (1991), eine Holzkiste mit fünf Kassettenrekordern und 25 Endlos-Tapes, die eine sich ständig verändernde Klangcollage aus Mozart-Werken erklingen lassen. Oder Nam June Paiks Rodin-Bronzereplika „Der Denker“ (1976/78), der sich in einem Fernseher selbst betrachtet. Und vom jüngst verstorbenen Richard Hamilton der „Lachende Kritiker“. Ein Apparat mit falschen Zähnen.

Was für ein Wiedersehen. Der Witz der Arbeiten funktioniert noch immer, so frisch wirken sie, sieht man von Beuys' Fett und Dieter Roths Schokolade ab, die den Weg alles Organischen gehen. René Block wäre jedoch nicht der exzellente Kurator und Netzwerker, als der er bekannt ist, wenn er zum Jubiläum nur Hits zeigen würde. Als er 1966 in der Berliner Schaperstraße seine Edition gründete, zählte er zu den Ersten in Deutschland, die an eine Demokratisierung der Kunst durch Vervielfältigung glaubten, und er begeisterte sich für Arbeiten jenseits des „Hauptstroms“, wie er einmal sagte. Dieser Haltung ist der 1942 geborene Niederrheiner zeit seines Arbeitslebens treu geblieben, und so finden sich nun zwischen den Werken der berühmten Rheinländer und West-Berliner auch jüngere Beiträge von Künstlern aus der Türkei, Australien und Südosteuropa. Von Maja Bajevic, Emigrantin aus Sarajevo, kommt die weiß auf schwarz gedruckte Aussage „Ich glaube eher an Horoskope als an Nationalitäten“.

Auf einem anderen Druck hockt Mladen Stilinovic im Schnee, hinter sich ungeschälte Kartoffeln, vor sich für den Verkauf abgepackte Pommes frites. Milica Tomic hat sich in Belgrad fotografiert: erhängt an einem Mast wie eine Partisanin. Und von Ayse Erkmen stammt das noch wenig bekannte „Drei Lilien Bad“, Fläschchen mit grüner Badeessenz, die in einem weißen Apothekenschränkchen strammstehen. Block hat die Arbeiten weder zeitlich noch geografisch geordnet, sondern so, dass sie einander ergänzen, sich gleichsam die Bälle zuspielen. Nur Beuys’ Filzanzug und seine Besen wirken etwas verloren auf ihrem Podest, auf dem sie aus konservatorischen Gründen stehen. Trotz fehlender Chronologie lässt sich die Ordnung historisch interpretieren: Das Randständige und der existenzialistische Humor, die Block so schätzt, scheinen vom Rhein in den Südosten Europas gewandert zu sein, genauso die künstlerischen Fähigkeiten, mit den Kapriolen und Brüchen des Lebens zu spielen und die Dinge im Fluss zu halten. Fluxus halt.

Selbstverständlich ist dieser Eindruck auch einfach der Biografie des Hausherrn geschuldet. Block hatte Galerien in Berlin und New York, er kuratierte Biennalen in Istanbul, Cetinje und Sydney, er leitete die Künstlerprogramme des Instituts für Auslandsbeziehungen in Stuttgart und des DAAD in Berlin, und als Chef des Kasseler Fridericianums veranstaltete er 2003 die Großausstellung „In den Schluchten des Balkan“ mit enzyklopädischem Essayband und ebensolchem Symposium. In der aktuellen Abteilung seiner Edition, die Block nach Jahren eingeschränkten Aufwands 1990 wieder belebte, sind Grafiken unter anderem von Luchezar Boyadjiev, Sanja Ivecovic, Anri Sala, Ken Unsworth und Lawrence Weiner vertreten, Block hat sie alphabetisch nach Künstlernamen sortiert aufgehängt. Die Arbeiten sind geprägt von einer eleganten Sparsamkeit der Künstler bei der Wahl von Mitteln und Motiven. Sparen lässt sich übrigens auch mit Blocks Preisgestaltung. Zwar handelt die Edition manche Klassiker zu Beträgen, die nur „auf Anfrage“ zu erfahren sind, doch lassen sich Erkmens Lilienbad für 2400 sowie Objekte von Henning Christiansen und Wolf Vostell bereits ab 600 Euro kaufen. Demokratie durch Vervielfältigung: Das gilt noch immer.

Seine Jubiläumsausstellung stimme ihn optimistisch, sagt René Block, „es geht weiter“. Neues gibt es beispielsweise von Olaf Metzel, ein Wandobjekt aus bedrucktem und zerknautschtem Aluminium und Edelstahl. Und Jahre nachdem Block mit Mona Hatoum eine Edition vereinbarte, hat die Künstlerin in einer Ecke einen Spazierstock abgestellt, rot wie Weingummi und verbogen wie unter schwerem Körpergewicht. Den Vogel schießt Arthur Köpcke ab. Das Deckblatt seiner Mappe, bereits leicht vergilbt, schuf er 1974, erst jetzt ist sie fertig geworden. Aber 37 Jahre für eine lange Zeit zu halten, das wäre allzu menschlich.

Edition Block/Tanas, Heidestraße 50; bis 26. November, Di–Sa 11–18 Uhr.

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