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Kultur: Schloss und Geist

Eine

von Bernhard Schulz

Zahlen, Zahlen, Zahlen – die Kontrahenten im Streit um die Schlossplatzbebauung beharken sich gegenseitig mit Kalkulationen, dass daneben das PolitikerGerangel um Brutto- Netto oder Cent-Prozent wie Kleinkram wirkt. Bei der Frage, ob Schloss oder nicht Schloss, geht es immerhin um Differenzen, die sich zwischen 60 Millionen und 900 Millionen Euro bewegen. Seit (Noch-)Bundesbauminister Stolpe das Gutachten zweier Beratungsfirmen vorgelegt hat, die einen Mittelwert von 670 Millionen Euro für einen Schlossneubau errechnet haben, mehren sich die kritischen Stimmen. U-Bahn-Bau nicht eingerechnet? Fundamentierungsprobleme unterschätzt? Nutzflächen ungebührlich verkleinert? Da mag an allem etwas dran sein. Die Gegenrechnung der Schloss- Verächter freilich ist ebenso fragwürdig. Für 60 Milliönchen ein komplettes Humboldt-Forum im Stahlgerippe des DDR- Palastes, das klingt nach den Sirenentönen, die das Berliner Bauwesen seit jeher gesungen hat. Man merkt die Absicht, und man ist verstimmt – hier geht es schlicht darum, das SED-Erbe zu retten.

Es ist an der Zeit, daran zu erinnern, warum die Schlossplatzdebatte überhaupt begonnen hat. Nicht, weil sich ein Humboldt-Forum aufgedrängt hätte. Diese Idee ist jüngeren Datums. Sondern es ging vom Tag der Wiedervereinigung Berlins an um die Frage, wie die historische Mitte Berlins aussehen soll. Es ging darum, die mit Ulbrichts Abrisswahn begonnene und mit Honeckers Palast nur dürftig kaschierte Entleerung und Banalisierung der Stadtmitte rückgängig zu machen. Es ging darum, dem Prachtboulevard Unter den Linden wieder den Bezugspunkt zu geben, ohne den er im Nichts verläppert, und auf der anderen Seite das Gleichgewicht zum Altem Museum auszutarieren, das Schinkel ebenso sorgsam wie selbstbewusst auf die Proportionen des Schlosses bezogen hatte. Kurz, es ging von Anfang an und es geht heute nicht minder darum, die Mitte Berlins in ihren angestammten Proportionen zurückzugewinnen. Das Humboldt-Forum ist die grandiose Idee, die der wiederherzustellenden Form einen zeitgemäßen Inhalt zu geben vermag. Aber ohne diese Form ist der Inhalt seinerseits vertan. Es ist dieser unauflösliche gedankliche Zusammenhang, aus dem heraus alle Zahlenspiele ihre Notwendigkeit, aber eben auch ihre Grenzen beziehen.

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