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Kultur: Schlüssel zum Schloss

Martin Hellers Ideen für das Humboldt-Forum

Wenn alles nach Plan läuft – aber wann ist das bei großen Bauunternehmungen je der Fall gewesen? –, dann eröffnet das Humboldt-Forum in acht Jahren, also 2019. Verdammt lang hin. Oder auch nicht. Die außereuropäischen Sammlungen, jetzt noch in Dahlem, werden das neue Schloss in Berlins Mitte füllen. Das ist die Grundidee, für deren Umsetzung acht oder zehn Jahre keine gar so unendliche Zeit sind. Museumsmühlen mahlen langsam, Museumskultur ist ihrem Wesen nach erst einmal konservativ – und der Umzug einer ethnologischen Sammlung von Weltrang mit hunderttausenden Objekten selbst ein Jahrhundertprojekt.

Das Humboldt-Forum aber soll nicht einfach nur ein Museum werden, notwendige Ergänzung und Weiterung der Museumsinsel vis-à-vis. Das Humboldt-Forum, gibt dem 600 Millionen Euro teuren Schloss erst Inhalt und Bestimmung. Und wiederum soll die Agora, eine Art zentraler Veranstaltungsraum, dem Forum Beweglichkeit verschaffen.

Für diese Agora hat Kulturstaatsminister Bernd Neumann Anfang des Jahres den Museumsmann und Kulturmanager Martin Heller berufen. Im Ethnologischen Museum Dahlem hat Heller jetzt zum ersten Mal öffentlich über seine Pläne gesprochen. Und dabei ging es natürlich auch um die lange, allzu lange Vorgeschichte des „teilweise verhärteten“ Projekts, um die „ungeheuren Erwartungen“ und den Widerspruch von Form und Inhalt, Innen und Außen.

Heller fordert, wie immer das auch herzustellen sei, ein Haus der Gegenwart, „trotz oder wegen der historisierenden Hülle“. Die Aversion gegen Franco Stellas postmoderne preußische Fassaden ist bei Heller nicht zu überhören. Er fragt sich, wie die Stadt Berlin auf diesen architektonischen „Alien“ reagieren wird, ist sich aber auch sicher, dass der Effekt des Neuen einige Jahre lang die breite Menge anziehen wird. Ohne populistisch zu werden, will Heller das Publikum unterhalten, aber auch fordern. Eine „qualitativ pralle Gegenwart ist der Preis, der für dieses demokratische Schloss“ zu zahlen sei, erklärt Heller. Er war Direktor des Museums für Gestaltung in Zürich, leitete die Expo 02 in der Schweiz und das Programm der europäischen Kulturhauptstadt Linz 2009. In den – noch gar nicht gebauten – Hallen des Humboldt-Forums, vulgo Stadtschloss, fühlt er sich prophylaktisch unwohl. Er sagt aber auch: „Es ist ein eminent politischer Bau. Der Deutsche Bundestag wollte ihn so.“ Nach Hellers Auffassung geht es hier darum, wie sich die Bundesrepublik in ihren kulturell-historischen Beziehungen zur Welt darstellt.

Immer wieder benutzt er das Wort Gegenwärtigkeit. Es ist nicht wenig Kulturmanager-Sprech in seinem Vortrag, aber auch viel Offensive. Endlich kommt Bewegung in die leidenschaftslos geführte Debatte. Heller, eigentlich nur für die Agora zuständig, will das offene Prinzip, den beweglichen Geist auf das ganze Haus ausdehnen, auch auf die Präsentation der Sammlungen. Eine Grenze zwischen Veranstaltungsbereich und Museum dürfe es nicht geben. Wenn das gesamte Humboldt-Forum diesem kuratorischen Anspruch gerecht würde, könne man auch den Hilfsbegriff Agora fallen lassen.

Heller fordert „Neugier, Anschaulichkeit und Hybridität“, wobei letztere den Zustand unserer Welt beschreiben soll, in der „Unterschiedliches und Unpassendes“ nebeneinander existieren. Das klingt wolkig, aber wie könnte man schon konkret werden, so viele Jahre vor Eröffnung des Riesenbaus? Heller gibt immerhin eine Richtung vor. Er verlangt, dass man sich an der zeitgenössischen Kunst orientiere, wenn man ein neues Museum einrichtet. Denn die Kunst sei ein „Laboratorium der Wahrnehmung“, sie zeige, was man mit Bildern und Objekten gegenwärtig machen kann.

Vielleicht kann man es sich so vorstellen: Das Stadtschloss ist Troja – und die Agora ein Pferd mit überraschendem Inhalt. Rüdiger Schaper

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