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Kultur: Schluß mit lustig

Der Mantel der Geschichte hängt schlaff an der Kneipen-Garderobe.Müde sind die blaublütigen Helden von all dem Meucheln und Morden, keine Lust mehr haben sie auf neue Kriege für Königtum und Krone.

Der Mantel der Geschichte hängt schlaff an der Kneipen-Garderobe.Müde sind die blaublütigen Helden von all dem Meucheln und Morden, keine Lust mehr haben sie auf neue Kriege für Königtum und Krone.Und wenn endlich - nach einer marthalerischen Viertelstunde lauernder Apathie - König Heinrich in die mit Plastikdeckchen und kackbraunen Stühlen verhunzte Bierschwemme wankt, scheint es, als habe er sich mal eben in die späte DDR verlaufen.Was zählen Freundschaften, wenn ein Königreich auf dem Spiel steht?

Die Rosenkriege der Yorks und Lancasters gehen weiter.Im New Globe, dem von Bert Neumann in den Volksbühnen-Prater in Miniaturausgabe, mit hölzernen Treppen und schummrigen Logen nachgebauten Shakespeare-Theater, geht es diesmal nicht um die Eigentumsfrage (wie bei Castorfs "Richard II.") oder die Erfindung der Lohnarbeit (wie bei Gysis "Heinrich IV., 1), sondern um den Verrat.Das hat endlich mal mit Psychologie zu tun und verbannt das Marxsche "Kapital" in den Keller.Die dramaturgisch-vollmundige Ankündigung, den Rosenkriegs-Zyklus als Lehrstücke über den Zusammenbruch der feudalen Ordnung und als Freisetzung gewaltiger Energien im Prozeß der ursprünglichen Akkumulation zu deuten, interessiert Regisseurin Karin Henkel denn auch nicht die Bohne.Ihre Inszenierung des zweiten Teils von "Heinrich IV" ist viel subtiler gearbeitet, als ihre unter textzertrümmerndem Dauerdruck stehenden Vorgänger.

Zwar muß Matthias Matschke als Prinz Heinrich wieder einige seiner hinlänglich bekannten Slapstickeinlagen bringen.Doch das sind nur nebensächliche Kinkerlitzchen, und manchmal haben sie sogar dramaturgischen Mehrwert.Denn Matschke, dem vielleicht hoffnungsvollsten Schauspieler des deutschsprachigen Theaters, gelingt die Gratwanderung zwischen grölendem Klamauk und stiller Verzweiflung ein ums andere Mal.Seine geradezu kindische Liebe und sein berserkernder Haß auf Heinrich, seinem von Gerd Preusche als debilem Griesgram gespielten königlichen Vater, ist frei von jedem Klischee.

Wenn Preusche sich wie ein verwundetes Tier unter den Kneipentisch legt, um in dem ihm umgebenden feuchtfröhlichen Tohuwabohu in Ruhe und Würde zu sterben, oder wenn der smarte Prinz John (Jürgen Lehmann) der verbitterten Lady Percy (Cordelia Wege) zarte Liebe vorgaukelt, um sie erst von ihren rebellischen Absichten abzubringen und dann kaltherzig abzuknallen, hat die Inszenierung geradezu poetisch-tragische Momente.

Klaus Mertens ist ein hinterfotziger Friedensrichter, Annett Krusche eine vollblütige Wirtin, Kate Strong eine sturzbetrunkene Dorchen Lakenreisser.Auch die als Rekruten aufmarschierenden Laien-Darsteller vom Obdachlosentheater Ratten 07 stören in ihren knappen Badehosen kaum.Der moderierenden Dauerquasselstrippe Jürgen Kuttner hat Karin Henkel diesmal aber weitestgehend den Ton abgestellt.Leider gilt das auch für Matthias Brenner.Sein Falstaff ist eine einzige Enttäuschung.Mehr als ein verzweifelter deutscher Biersäufer ist er nie.Wenn Prinz Heinrich ihn verrät und, kaum zum König ausgerufen, seinen alten Saufkumpan keines Blickes mehr würdigt, geschieht dem tumben Fettsack das recht.In Frankreich, dem Schauplatz des nächsten Krieges, kann ihn ohnehin niemand brauchen.

Volksbühnen-Prater, nächste Vorstellungen am 24.und 29.April, jeweils 20 Uhr.

FRANK DIETSCHREIT

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