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Kultur: Schmerz und Schrift

Sabine Peters legt mit „Feuerfreund“ den ergreifenden Roman eines Abschieds vor

Es ist eine alte, aber immer auch neue Geschichte: Der Tod zerstört die Liebe zweier Menschen – und der Schmerz der Zurückbleibenden verwandelt sich in Schrift. Der Schriftsteller Rupert stirbt kurz vor seinem 80. Geburtstag an Krebs. Seine Lebensgefährtin Marie begibt sich schreibend auf den schweren Weg der Erinnerung. Als sie sich 1986 erstmals begegnen, prallen gegensätzliche Erfahrungswelten aufeinander. Rupert hat sich im Laufe seines Autorenlebens radikalisiert und ist Kommunist geworden, der Kontakte zu den inhaftierten RAF-Terroristen sucht. Schließlich zieht er sich desillusioniert aus den politischen Tageskämpfen zurück. Die 33 Jahre jüngere Marie ist literarische Novizin und geht in ihrem Schreiben einen anderen Weg als der Hermetiker Rupert.

Es ist nicht nur der Altersunterschied, der hier zwei Lebenskonzepte kollidieren lässt. Es ist auch die Differenz im Bedürfnis nach Nähe. Rupert kultiviert seine Rückzüge, während Marie eifersüchtig auf seine Familienvergangenheit ist. Dennoch lassen die Differenzen genug Raum für gemeinsame Utopien. Eine davon ist ihr Alltag im hintersten Winkel Ostfrieslands, im Rheiderland. Als die passionierten Landmenschen nach Hamburg umziehen, gerät ihre Ehe aus der Balance.

Bereits in früheren Büchern von Sabine Peters agierte das symbiotische Künstlerpaar Rupert und Marie als Protagonisten-Duo. Nun hat der Tod diese Verbindung gelöst. Dadurch geraten Fiktion und Wirklichkeit in ein prekäres Verhältnis, handelt es sich doch bei „Feuerfreund“ um ein durch und durch autobiografisches Werk. Peters muss eine Sprache finden zwischen Nähe und Distanz, die den Erfahrungen des sterbenden Rupert gerecht wird, ohne sie an eine falsche „Authentizität“ zu verraten. Ihr gelingt diese Gratwanderung, indem sie Marie eine behutsam assoziative, die Unzulänglichkeit der Wörter und Sätze reflektierende Sprache sprechen lässt. Es verlangt viel Anstrengung, der bloß privatistischen, voyeuristischen Perspektive auf das gemeinsame Leben auszuweichen. Überall drohen Stereotypien, Marie fürchtet das Verstummen. Dennoch gibt es für sie nur den Weg der biografischen Vergewisserung – durch die sorgsame Vergegenwärtigung der Lebensaugenblicke, die das Außenseiterdasein des Schriftstellerpaares geprägt haben.

So ist ein Buch hellsichtigster Trauer entstanden, das sich in mäandrierender Schreibbewegung an die Erfahrung des Verlusts herantastet. Die leise Grundmelodie dieses Romans ist eine fromme Bach-Kantate: „Welt, ich bleibe nicht mehr hier, hab ich doch kein Teil an dir, das der Seele könnte taugen. Hier muss ich das Elend bauen.“ Dieser anrührende Gesang der Vergänglichkeit lässt den Schriftsteller Rupert nicht mehr los, obwohl er die Kirche längst hinter sich gelassen hat. Solche elegischen Verse werden immer wieder überlagert von anderen, gegenläufigen Stimmen und Bruchstücken der Erinnerung, die Marie zu ihrem fragmentarischen Lebensbild des „Feuerfreunds“ Rupert zusammenfügt.

Sabine Peters’ ergreifendes Buch zeigt in vielen Szenen, wie ein Sterbender in das Kraftfeld des Todes gerät – und wie die Chronistin verzweifelt um einen angemessenen Text der Trauer ringt und schließlich aus ihrer Sprachlosigkeit heraustritt. Wie ohnmächtig das Schreiben gegenüber der dunklen Präsenz des Todes bleibt, verdeutlicht ein Satz von Jean Paul, einst der Lieblingsautor von Rupert: „Ich habe mit dem Tod geredet, und er hat mir versichert, es gebe weiter nichts als ihn.“

Sabine Peters:

Feuerfreund. Roman. Wallstein Verlag,

Göttingen 2010.

220 Seiten, 19 €.

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