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Kultur: Schmetterklage

Der RIAS Kammerchor singt „Hinter der Mauer“

Keinen passenderen Ort hätte diese Uraufführung finden können. Das Radialsystem liegt im ehemaligen Todesstreifen auf der Grenze zwischen Friedrichshain und Kreuzberg. Grenzen gibt es genug, die Samir Odeh-Tamimis Oratorium „Hinter der Mauer“ ansprechen kann. Der Komponist als in Israel aufgewachsener Palästinenser, der seit 20 Jahren in Deutschland lebt, weiß ein vielgestaltiges Lied von ihnen zu singen. Der RIAS-Kammerchor gab das Werk zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit in Auftrag. Das Libretto stammt von Christian Lehnert, Schriftsteller und Theologe aus Dresden, der den Mauerfall als 20-Jähriger erlebte. Biografisches und die Erschießung des 18-jährigen Flüchtlings Peter Fechter sind hier miteinander verwoben.

Fünf Stimmen bezeichnen das äußere Geschehen und ihre inneren Kommentare – die Sänger Gesa Hoppe, Christopher Mortagne, Romain Bischoff und Frank Wörner zeigen im hektischen Flüstern, in langgezogenen Klagetönen oder markerschütternden Schreien engagierte Virtuosität. Trocken skandiert der Todesschütze seine Pflichterfüllung, eine Roboterstimme. Und der Chor ist mit rhythmischem Sprechgesang, aufjaulenden Glissandi und erregten Repetitionen ganz antiker Kommentator – entsprechend den vielen religiösen Textmotiven, die das Ganze zur vertonten Pietà, zum Requiem machen. Dirigent Hans-Christoph Rademann hält auch bei der vor allem in Blech und Schlagzeug reich besetzten „musikfabrik“ die Fäden souverän zusammen. Ihr unablässiges Sausen und Brausen, Schmettern und Schlagwerk-Maschinenfeuer zeigt: Diese Musik ist ein einziger Aufschrei, und zugleich von unabweisbarer Kraft. Isabel Herzfeld

Wieder heute, 3.10., 20 Uhr

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